01.06.2012

"Hilfe, Polizeistaat!" Nachlese zum Thema Blockupy und Grundrechte

Von: Fabian Scheidler

Der Kontext-Mitarbeiter Jan Keno Deichmann war bei Blockupy Frankfurt vom 17. bis 19. Mai vor Ort und hat einige Fotos gemacht, die das harte Vorgehen der Polizei gegen die friedlichen Proteste dokumentieren.

Fotos: Jan Keno Deichmann. Die Bilder 1 und 6 sind bei der Demonstraion am 19.5. aufgenommen, die Bilder 2 bis 5 bei der Räumung des Occupy-Camps am 17.5. Weitere Fotos gibt es hier.

Uns erreichten inzwischen auch weitere Berichte von Betroffenen und Augenzeugen über repressive Maßnahmen der Polizei. Beispielsweise wurden mehrere Busse am Morgen des 17.5. auf der Autobahn kurz vor Frankfurt angehalten und am Weiterfahren gehindert. Ohne dass den Insassen Straftaten zur Last gelegt werden konnten, wurden sie - so der Bericht von Betroffenen - sieben Stunden im glühend heißen Bus festgehalten, während ihr Gepäck durchsucht wurde. Schließlich wurde allen Mitfahrenden ein Aufenthaltsverbot für die Stadt Frankfurt bis Sonntag, den 20.5., erteilt - also einschließlich der genehmigten Demonstration am 19.5. Damit hat die Poiizei erneut das Versammlungsrecht nach Art. 8 GG willkürlich eingeschränkt und dabei auch die Entscheidung des Frankfurter Verwaltungsgerichts ignoriert, das ähnliche Aufenthaltsverbote zuvor für rechtswidrig erklärt hatte. Da der Busfahrer die maximal zulässige Lenkzeit erreicht hatte, durfte er nicht nach Berlin zurückfahren. Die Insassen wurden schließlich gezwungen, zu Fuß weiterzugehen, und daran gehindert, öffentliche Verkehrsmittel nach Frankfurt zu benutzen, wo sie zumindest einen Bahnhof hätten erreichen können.

Zuvor hatte die Polizei bereits Aufenthaltsverbote gegen etwa 400 Personen für die Zeit der Blockupy-Proteste erlassen, mit der Begründung, dass sie "polizeilich in Erscheindung getreten" seien - ohne dass irgend etwas Konkretes gegen sie vorlag. Folgt man dieser Logik, dann könnte die Polizei jedem beliebigen Bürger, dessen Personalien sie einmal aufgenommen hat, in Zukunft verbieten, seinen Aufenthaltsort zu wechseln. Das Frankfurter Verwaltungsgericht hatte diese Verfügung schließlich kassiert.

In der Summe erinnert das Vorgehen der Frankfurter Behörden weniger an einen Rechtsstaat als an das Ägypten Mubaraks oder das Russland Putins. Die willkürliche Kriminalisierung von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre verfassungsmäßig verbrieften Rechte wahrnehmen wollten, ist eine durchaus gefährliche Tendenz nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen europäischen Ländern. Politische  Eliten in der EU halten es immer weniger für nötig, mit Bürgerinnen und Bürgern Debatten über politische Inhalte und Richtungsentscheidungen zu führen. Statt dessen wird - mit Verweis auf die angebliche Alternativlosigkeit der in Berlin, Frankfurt und Brüssel  beschlossenen Agenda - durchregiert. Eine demokratisch gesinnte Stadtregierung hätte die Blockupy-Demonstranten zu einer offenen Debatte über die Zukunft Europas und die Macht der Banken in den Römer eingeladen statt ihnen eine Armee von Robocops entgegenzusenden, die aussehen, als ob sie für den dritten Weltkrieg trainierten. Dass fast alle Parteien im Frankfurter Magistrat und im hessischen Landtag - einschließlich der Grünen und mit Ausnahme der Linken - das Vorgehen der Polizei billigten, zeigt, wie dringend sie Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie benötigen.