05.04.2011
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Einleitung: 

Nanopartikel sind bereits in Kosmetika, Kleidung, Pestiziden und vielen anderen Dingen, mit denen wir täglich umgehen. Doch die Gefahren sind bisher kaum erforscht. Die Partikel können beispielsweise Haut, Blut-Hirn-Schranke und Plazenta durchdringen – mit bisher unbekannten Wirkungen.

Gäste: 

  

Pat Mooney, Direktor der „Action Group on Erosion, Technology and Concentration“ (ETC), Kanada; Träger des „Alternativen Nobelpreises“; Autor von "Next Bang. Wie das riskante Spiel mit Megatechnologien unsere Existenz bedroht"
Transkript: 

Fabian Scheidler: Sie haben auch über Nanotechnologie geforscht. Was hat es damit auf sich? Und was sind die möglichen Gefahren?

Pat Mooney: Wir stießen tatsächlich auf Geo Engeneeren durch Nanotechnologie. Uns wurde gesagt, dass man zum Beispiel die biologische Oberfläche von Ozeanen durch Nanotechnologie verändern kann. Man brauche dafür Nanoteilchen von Eisen, die über die Oberfläche verteilt werden in Gebieten, wo Nährstoffmangel herrscht, Mangel an Eisen. Das würde das Plankton füttern. Es nimmt das Eisen auf und absorbiert Kohlenstoff von außen. Wenn Plankton abstirbt, sinkt es auf den Ozeanboden. Also wir erfuhren von dem Problem durch Nanotechnologie und der Idee von Nanoteilchen. Der zentrale Punkt für uns ist, dass die Wissenschaftler sagten, dass es nun möglich sei, alles auf der atomaren Ebene herzustellen. Auf die gleiche Art, wie man DNA herstellt, kann man nun jedes andere Material von unten aufbauen. Man kann Goldpartikel oder Silberpartikel nehmen und daraus neues Material herstellen, Atom für Atom. Das hat zwei große Vorteile für Unternehmen, die darin verwickelt sind. Einer ist, dass man daran glaubt, so die klassischen Chemie hinter sich zu lassen, wenn man unter hundert Nanometer kommt. Man kommt in den Bereich des so genannten Quantum-Effekts. Wenn man in den Quantum-Effekt kommt, reagiert das Material plötzlich auf Elektrizität, auf Druck, auf Sonnenlicht und so weiter. Es ändert sich dramatisch ab dem Punkt, wo es von hundert Nanometer auf 75, auf 25 auf 5 reduziert wird. Diese Veränderung der Charakteristik des Materials bedeutet für ein Unternehmen, dass es nicht mehr nur von einer Periodentafel aus arbeitet, sondern von vielleicht 7, 8, 10 Tafeln alles herstellen kann. Das ist das Ende der Idee von Gütern. Man braucht sich keine Gedanken mehr zu machen, wie man Güter von einer Ecke der Welt in die andere transportiert. Man fügt einfach verschiedene Skalen im Nanobereich hinzu und man bekommt das Material, das man in diesem Bereich benötigt. Das hört sich vielleicht etwas abstrus an. Lassen Sie mich ein Beispiel bringen. Ich habe einen Ehering, ich trage ihn, er ist harmlos, alles ist sicher, er sieht schön aus. Wenn man bei dem harmlosen Gold nun in den Nanobereich geht, dann wird daraus plötzlich ein Beschleiniger für chemische Reaktionen. Es wird anders. Es verändert seine Farbe von gold zu rot. Es beginnt sich zu bewegen, es verhält sich als ob es explodieren wollte. Und das alles wegen des Quantum Effekts.

Fabian Scheidler: Was ist mit den möglichen Gefahren. Manche warnen vor den Folgen für die Gesundheit, die nicht vorhersehbar sind.

Pat Mooney: Die Größe ist wichtig. Wir sehen, dass in Australien, in Südafrika, Kinder jeden Tag, und das ihr ganzes Leben lang, aufwachsen und Sonnencreme benutzen. Und diese Sonnencremes sind immer mehr aus Nanoteilchen hergestellt. Die werden dann auf die Haut verteilt. Das es sich um eine Creme aus Nanoteilchen handelt, erkennt man daran, dass sie durchsichtig ist. Es ist nicht die gewöhnliche weiße Creme, die durch Einreiben verschwindet. Nano-Creme ist von Anfang an klar. Die Nanoteilchen sind so klein, dass sie nun durch die Haut gehen, durch die Faser des Körpers, wenn diese Partikel 25 Nanometer klein sind. Sie durchdringen Organe und noch tiefer. Sie können durch die Blut Gehirn Barriere diffundieren, sie gehen durch die Plazenta, sie gehen überall hin, wo der Körper sie hin transportieren will. Das ist für mich sehr bedrohlich. Wir wissen nicht, wie sicher das ist. Die Unternehmen, die das herstellen, wissen es nicht. Die Hersteller von solchen Nano-Sonnencremes wissen nicht einmal, wie große die Nanoteilchen sind, mit denen sie arbeiten. Es ist einfach nicht klar.

David Goeßmann: Welche Einschränkungen gibt es bisher in Sachen Nanotechnologie und welche sollte es Ihrer Meinung nach geben?

Pat Mooney: Es gibt tausende von Produkten im Markt im Moment. Keines von ihnen, soweit ich sehe, ist bisher ausgewiesen mit einer Nanoteilchen-Rezeptur. Keines der Nanoprodukte. Es sind Pestizide, Nahrungsmittel, Kosmetika, Sonnencreme, Computerteile, Autoteile, Flugzeugteile, Kleidung und so weiter. Sie sind überall, wir leben mit ihnen. Ich kenne nur zwei Regulierungen, die entweder vorgeschlagen oder in Anwendung sind. Eine ist in den USA. Dort reguliert man den Gebrauch von Silberpartikeln in Waschmaschinen, wenn es sich bei den Stoffen um Pestizide handelt. Sie werden also als Pestizide eingeschränkt. In der Europäischen Union überlegt man, ob man Nanoteilchen in Kosmetika reguliert werden soll. Das ist alles. Der Grund dafür ist nicht, dass die Regulierer vollkommen dumm sind oder von den Unternehmen korrumpiert worden sind. Es ist einfach so, dass wir unsere Materialien weiter betrachten, als ob sie auf der Makroebene sich befänden. Wir haben Aluminium Oxid seit hundert Jahren auf der Makroebene benutzt. Aluminium Oxid wird von Zahnärzten bei der Zahnbehandlung benutzt. Es ist sehr sicher, das auf der Makroebene zu benutzen. Man kann es ein Leben land im Körper haben und es erzeugt keine Probleme. Verkleinert auf die Nanoebene explodiert der Stoff quasi. Die amerikanische Luftwaffe benutzt Aluminium Oxid Nanopartikel für die Zündung von Bomben. Das selbe Zeug, dass der Zahnarzt benutzt, nur reduziert auf die Nanoebene. Aber die Regulierer schauen natürlich nicht darauf. Sie sagen: "Wir haben die Sonnencreme doch schon genehmigt, das Nahrungsmittel wurde schon geprüft, als ihr müßt nicht mehr zu uns kommen. Wir haben das schon akzeptiert" Aber noch einmal: Auf der Nanoebene ist das etwas ganz anderes. Es geht in die Blut-Gehirn-Schranke, es geht durch die Haut, es macht verschiedene Sachen mit dem Körper. Es verhält sich auf verschiedene Weisen.

Fabian Scheidler: Wer sind die Hauptakteure hier. Um welche Unternehmen geht es?

Pat Mooney: Es geht um alle. Es gibt keine der großen internationalen Firmen, die nicht in Nanotechnologie verwickelt sind. Sie erhalten ja so die Möglichkeit, die Rohstoffquellen zu vervielfältigen und mit neuen Charakteristika der Materialien auf Nanoebene zu arbeiten. Ich bin besorgt über die Gesundheits- und Umweltrisiken, sie sind ernst. Aber was mich wirklich schockiert ist die Kontrolle und der Besitz dieser Technologie in den Händen von Unternehmen. In Nanotech sehen wir, dass ein einzelnes Patent ausreicht, um es auf 33 verschiedene Elemente in der Periodentafel im Nanobereich anzuwenden. Die Benutzung dieser 33 Elemente auf der Nanoebene ist damit eine Verletzung des spezifischen Patents. Das bedeutet buchstäblich, dass damit mehr als die Hälfte der Elemente des Periodensystems kontrolliert werden durch ein einziges Patent. Es werden schon Patente vergeben in den USA und auch in München. Das Patent sagt, dass damit der Bau von Elektromotoren unterstützt wird. Aber es kann auch in der Nahrungs- und Getränkeindustrie angewendet werden. Oder in der Textilindustrie, der Sprengstoffindustrie, der Computerindustrie, der Raumfahrt. Es ist praktisch in der ganzen Industriewirtschaft anwendbar. Wir haben bisher keine Technologie gehabt, die so fundamental ist. Ein Patent, das quasi die Industrie dominieren kann.

Fabian Scheidler: Sie haben ein Moratorium, also einen vorläufigen Stopp von Nanotechnologie verlangt. Worum geht es dabei?

Pat Mooney: Wir sind in der absurden Situation, dass wir immer wieder Moratorien zu irgendwas verlangen. Ein Moratorium zu Geo Engeneering, das wir sogar bekamen, auch bei den Terminator Saatgut konnten wir es durchsetzen. Auch bei der Ozean Düngung waren wir erfolgreich. Und jetzt sagen wir, das gleiche sollte auch geschehen bei Nanotechnologie und synthetischer Biologie. Aber das ist nicht der beste Weg. Nun, wir gingen zur UN und verlangten, dass sie aus Prinzip der Vorbeugung diese Nanoteilchen nicht zulassen sollten, dass sie in unser Essen und die Getränke gelangt, in die Pestizide, bevor wir nicht wissen, dass das sicher ist. Das macht keinen Sinn. Die UN sollte das einsehen und dem zustimmen. Bei anderen Sachen haben wir sie überzeugen können, bei anderen nicht. Wir denken ehrlich gesagt, dass es etwas albern ist, darum zu betteln. Wir brauchen etwas besseres als Moratorien, die ad hoc eingesetzt werden. Wir brauchen so etwas wie eine internationale Konvention bei der Evaluierung von Technologien. Eine klare transparente Vorgehensweise auf UN-Ebene, auf der wir in der Zivilgesellschaft die Technologie beobachten, wie sie zuerst in Labors ausprobiert und weiterentwickelt wierden bis hin zur Kommerzialisierung. Wir sollten an jedem Punkt das Recht haben Nein zu sagen, weil wir es als zu gefährlich einschätzen. Oder wir sagen: "Damit kannst Du loslegen, aber das muß noch geprüft und studiert werden, bevor es auf den Markt gelassen wird." Das haben wir bisher nicht Wir haben nichts auf UN-Ebene, dass es möglich machte, Technologie nach Nützlichkeit und Gefahren zu beurteilen. Wir brauchen mehr als diese ad hoc Moratorien. Wir benötigen eine richtige Strategie.

David Goeßmann: Auf welche Weise betreffen diese Technologien den Globalen Süden, insbesondere die Menschen in Afrika?

Pat Mooney: Afrika kriegt immer die schwerste Last aufgebürdet. Schauen wir uns die Vorschläge an um Geo Engeneering. Der schnelle und schmutzige Weg, die Temperatur zu reduzieren, ist einen Ort wie die Ölsandfelder in Kanada, wo ich herkomme, zu nehmen, die dort vorhandenen Sulfate in die Stratosphäre zu pusten. Das kann man über Röhren machen, die man mit Hilfe von Nanotechnologie herstellen kann. Das wäre wie eine Art künstlicher Vulkan. Das würde bedeuten, dass die Nanoteilchen in den Temperaturzonen auf der ganzen Welt herumfliegen würden. Und das jedesmal über zwei Jahren. Damit würde in meinem Land die Temperatur verringert, auch in Deutschland. Man könnte die Methan-Emissionen runter fahren, was auch gut ist. Wir sind noch nicht sicher. Aber Wissenschaftler in Deutschland nehmen an, dass es eintreten kann. Nämlich, dass man den asiatischen Monsoon wegbläst. Er würde südlich an Südasien vorbeiziehen und damit Indien, Bangladesch und Pakistan auslassen. Das bedeutet, dass in Südasien Dürren herrschen werden. Es würde nach Afrika reichen und Klimachaos in dort anrichten. Wir wissen nicht, wo und wann der Regen runter gehen wird, wie starkt die Winde seien würden. Wir im Norden würden fein raus sein, alles schön. Die anderen würden drunter leider, aber uns gehts gut. Das ist die Gefahr, der wir uns stellen müssen. Darum geht auch die Diskussion. Es gibt Wissenschaftler am Alfred Wegener Institut in Deutschland, die die Düngung von Ozeanen debattieren. Wir könnten auf diese Weise das Klima justieren. Da ist Paul Crutzen in Deutschland, er erhielt einen Nobelpreis in Chemie, der sagt, dass man Sulfate in die Stratosphäre blasen könnte. Möglicherweise würde es 60 bis 70.000 mehr Menschen das leben kosten pro Jahr im Norden aufgrund von Lungenkrankheiten und solchen Sachen. Aber es ist im Grunde der best Weg. Und es ist relativ billig. Nach Crutzens Rechnung kostet das Geo Engeneering rund 50 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist in Hinsicht auf die Kostenkalkulation für den Klimawandel relativ günstig. Es tötet halt Menschen, das ist alles.