02.11.2012
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Einleitung: 

In Europa gingen die Menschen zu Zehntausenden auf die Straßen, In Tunesien verbrannte sich Anfang letzten Jahres ein verzweifelter Obsthändler und gab damit den Anstoß für den arabischen Frühling. Doch in den USA blieben nennenswerte Proteste im Zuge der Bankenrettung, der verschärften Finanz- und Wirtschaftskrise, den fortgesetzten Besatzungen in Irak und Afghanistan und dem ausgeweiteten Drohnenkrieg lange aus. Viele der großen sozialen Bewegungen, die Barack Obama im Wahlkampf unterstützt hatten, waren nicht bereit, gegen ihn mobil zu machen. Dann kamen die Demonstrationen in Wisconsin und die Occupy-Bewegung. Sie entwickelten sich zu den größten und vielstimmigsten Protestbewegungen seit Jahrzehnten in den USA. In der Bevölkerung wächst die Unzufriedenheit gegenüber der Politik und am System.

Gäste: 
Amy Goodman: Moderatorin von Democracy Now!, Trägerin des Alternativen Nobelpreises und Autorin von "The Silenced Majority"
Medea Benjamin: Gründer der Frauenaktivistengruppe Code Pink und Autorin von "Drone Warfare"
Vivek Chibber: Soziologe an der New York University, Mitarbeiter Brecht Forum und Left Forum
John Nichols: Korrespondent von "The Nation", Autor von "Uprising. From Wisconsin to Wall Street"
Transkript: 

David Goeßmann: In Europa gingen die Menschen zu Zehntausenden auf die Straßen, um für Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Bankenregulierung und gegen Sozialkürzungen zu protestieren. In Tunesien verbrannte sich Anfang letzten Jahres ein verzweifelter Obsthändler und gab damit den Anstoß für den arabischen Frühling. Doch in den USA blieben nennenswerte Proteste im Zuge der Bankenrettung, der verschärften Finanz- und Wirtschaftskrise, den fortgesetzten Besatzungen in Irak und Afghanistan und dem ausgeweiteten Drohnenkrieg lange aus. Viele der großen sozialen Bewegungen, die Barack Obama im Wahlkampf unterstützt hatten, waren nicht bereit, gegen ihn mobil zu machen.

Fabian Scheidler: Dann kamen die Demonstrationen in Wisconsin und die Occupy-Bewegung. Sie entwickelten sich zu den größten und vielstimmigsten Protestbewegungen seit Jahrzehnten in den USA. Auch wenn die Occupy-Zeltlager in den letzten Monaten langsam verschwunden sind oder von der Polizei geräumt wurden, in der Bevölkerung wächst die Unzufriedenheit gegenüber der Politik und am System.

David Goeßmann: 40 Prozent der US-Bevölkerung haben heute eine negative Einstellung dem Kapitalismus gegenüber. Die Mehrheit junger Amerikaner ziehen nach einer aktuellen Untersuchung des Pew Research Centers Sozialismus der Marktwirtschaft vor. Amy Goodman, Medea Benjamin, John Nichols und Vivek Chibber über das andere, das dissidente Amerika.

Medea Benjamin: Als die Bankenrettung im Kongress verhandelt wurde, war es für uns sehr schockierend zu sehen, dass die einzigen, die dagegen protestierten, die extreme Rechte war und wir, Code Pink. Die gesamte Bewegung, die bspw. gegen den Krieg protestierte, wurde zum Großteil von der Obama Regierung kooptiert, vereinnahmt, und protestierte nicht einmal, als ein demokratischer Präsident den Kongress dazu drängte, Milliarden unserer Steuern an die Banken und die Wall Street zu geben. Es war überraschend, sehr überraschend dass es nicht mehr Proteste während der Banken-Bailouts gab. Es gab einige Proteste von Washington bis New York und wir versuchten verschiedene Male, Menschen zu mobilisieren und vielleicht waren da ein paar hundert Menschen, aber das war es. Als der Ruf kam, die Wall Street zu besetzen, dachten wir, es würden wieder einmal höchstens ein paar hundert Menschen kurz auf die Straße gehen. Wir waren angenehm überrascht zu sehen, dass die Stimmung des Arabischen Frühlings und der Proteste in Madison, Wisconsin schließlich doch nach New York City herübergeschwappt war und dass die Menschen entschlossen waren, nicht nur einen Tag zu protestieren und dann nach Hause zu gehen, sondern tatsächlich dazublieben. Und es war schön, den Einfluss des Arabischen Frühlings und der Madison-Proteste zu sehen, zu beobachten, wie die Leute bereit waren, die Protestaktionen auf eine neue Ebene zu bringen.

Amy Goodman: Und dann kam es zu den Ereignissen in Wisconsin. In Wisconsin wurde ein republikanischer Gouvaneur gewählt. Er erhielt die Mehrheit der Stimmen. Aber er tat nach der Wahl etwas, was er während des Wahlkampfs nicht angekündigt hatte. Er attackierte die öffentlichen Gewerkschaften. Er stellte sich gegen die Lehrer und Krankenschwestern. Sie sollten die Hauptlast des staatlichen Haushaltdefizits tragen. Er beruhigte die Polizisten und Feuerwehrleuten. Es gehe ihm nur um die Lehrer und Krankenschwestern. Aber die Polizisten und Feuerwehrleute sagten „Nein“. Wenn Gouvaneur Walker die Lehrer und die Krankenschwestern ins Visier nehme, dann attackiere er auch sie. Sie stellten sich an die Seite der Lehrer und Krankenschwestern. Ein Massenaufstand fand statt. Es kamen 150.000 Menschen in Madison, Wisconsin zusammen und besetzten das Kapitolgebäude. Sie übernachteten dort und die Polizei beschützte die Protestierenden. Wir haben so etwas noch nicht gesehen, es war ein außergewöhnliches Ereignis auch für Wisconsin. Wisconsin ist die Heimat der großen öffentlichen Gewerkschaften. Es ist auch Sitz der ultrakonservativen John Birch Gesellschaft, die mitbegründete wurde vom Großvater der Koch-Brüder, Charles and David Koch, die als Milliardäre die extreme Rechte, die Teaparty und andere Guppen im Land, finanzieren. Und das in einer Zeit, in der die Demokratie in den USA vom enormen Geldfluss quasi weggeschwemmt wird. Der Aufstand in Wisconsin traf einen Nerv der Zeit, die Menschen konnten sich überall im Land damit identifizieren. Und dann tauchte Occupy auf: Es begann am 17. September 2001 mit der Besetzung des Zuccotti-Parks in New York. Junge Menschen waren frustriert von der zunehmenden Ungleichheit im Land. Menschen aus allen Schichten und Lebensbereichen beteiligten sich, indem sie öffentliche Plätze in ihrer Umgebung besetzten und sagten: „Wir sind die 99%, wir brauchen eine Stimme“. Die Medien haben anfangs überhaupt nicht darüber berichtet und anschließend versucht, die Bewegung lächerlich zu machen. Aber wie sagte Ghandi: „Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ Genau das fand statt: Zu Beginn haben die Medien die Bewegung vollständig ignoriert, dann lächerlich gemacht: „Welche Botschaft haben diese Leute? Jeder hat eine andere.“ Jeder Werbemanager auf der Madison Avenue würde sich um den Slogan „Wir sind die 99%“ reißen. Das hat die Leute parteiübergreifend angesprochen. Viele Menschen sagten sich „Ja, das trifft auf mich zu“. Ich habe landesweit Occupy-Lager besucht, von Oakland, Kalifornien, bis Louisville, Kentucky. In Louisville befand sich das Lager unmittelbar neben dem Gefängnis. Als ich gegen Mitternacht dort ankam, krochen die Leute aus ihren Zelten und der Erste, dem ich begegnete, war ein Golfkriegsveteran. Und der nächste hatte im Irakkrieg gedient. Ich fragte ihn: "Wieso sind Sie hier?", und er sagte: „Ich habe meinem Land im Irak gedient und jetzt diene ich meinem Land hier.“ Als ich diese Geschichte einmal erzählte, sagte jemand zu mir: „Er hätte sagen sollen: Ich habe dem einen Prozent im Irak gedient, jetzt diene ich hier den neunundneunzig Prozent.

John Nichols: Es gibt ein breites dissidentes Amerika. Wir haben eine große Linke in diesem Land, größer als von den Medien dargestellt oder von den Politikern zur Kenntnis genommen. Die politischen Wahlmöglichkeiten in den USA sind allerdings sehr gering, reduziert auf die republikanische und demokratische Partei. Sicher, wir haben alternative Parteien, die Grünen, die Sozialisten, die versuchen, Gehör zu finden. Aber unsere Medien konzentrieren sich so stark auf die beiden großen Parteien, dass es für die anderen sehr sehr schwer ist. Für viele erscheint die USA daher als ein simples Land aus Demokraten und Republikanern. Tatsache ist aber, dass in jedem Bundesstaat, jeder Kleinstadt viele Menschen eine progressive Politik wollen und sich dafür engagieren. Ich habe das auf meinen vielen Reise als Reporter durch dieses Land erfahren können. Es gibt diese Leute. Sie haben nicht immer Politiker, die sie wählen können. Es fehlt manchmal an Bewegungen vor Ort. Letztes Jahr konnte man dieses dissidente Amerika auf nationaler Ebene sehen, als die Occupy Bewegung startete. Erstaunlich war, dass die Proteste in unserer größten Stadt, in New York City, in Parks in unmittelbarer Nähe zur Wall Street, begannen. Aber in wenigen Tagen entstanden überall im Land lokale Occupy Bewegungen. Ein Beispiel: Meine Mutter lebt in Burlington in Wisconsin, eine Stadt mit 10.000 Einwohnern. Dort gab es Occupy Palace Kino. Das Kino zeigte dann antikommerzielle Filme von Michael Moore und anderen. In Poccatillo,  Idaho, in Demoins, Iowa, überall gab es die Occupy-Bewegung. Wenn die Leute eine Möglichkeit oder politische Repräsentanten bekommen, in Form von Bewegungen oder auch Präsidentschaftskandidaten wie Jesse Jacksons Rainbows-Kandidaturen in den 80er Jahren, im gewissen Sinne auch Dennis Kucinichs Kandidaturen in 2004 und 2008, dann kann die Linke sehr wohl eine ernsthafte politische Kraft bilden. Es gibt die Linke, aber es wird nicht angemessen über sie berichtet.

Amy Goodman: Die Medien könnten die größte Friedensmacht der Welt sein, stattdessen werden sie als Kriegswaffe eingesetzt. Wenn die Vereinigten Staaten Krieg führen, rühren die Medien meist die Kriegstrommel, anstatt wichtige Fragen zu stellen. Das Spektrum an Fragen bewegt sich zwischen den Positionen der Demokraten und der Republikaner. Und wenn die sich einig sind, gibt es keine Meinungsvielfalt. Senatorin Hillary Clinton hat seinerzeit im Vorfeld des Irakkrieges zusammen mit den Republikanern Präsident Bushs Kriegspläne im Irak unterstützt. Und die Medien spiegelten dann die Position der Demokraten und Republikaner wider, die schlichtweg lautet: „Sie sind sich einig.“ Aber wir brauchen Medien, die das gesamte Meinungsspektrum abbilden, da die Mehrheit der Menschen eben nicht in diesen schmalen Bereich fällt. Ich nenne es „die zum Schweigen gebrachte Mehrheit“, denn diejenigen, die gegen Krieg, gegen Folter sind, die wegen Armut und der Kontrollmacht der Unternehmen tief besorgt sind, sind keine Randgruppe. Sie sind nicht einmal eine schweigende Mehrheit, sondern eine Mehrheit, die zum Schweigen gebracht wird. Sie wird mundtot gemacht von Medienunternehmen, und das müssen wir ändern.

Vivek Chibber: Dutzende Millionen Bürger in Amerika sind Dissidenten. Umfragestudien zeigen, dass der Grad an Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand - der Grad an Zynismus der Gesellschaft gegenüber, das Gefühl, dass das politische System von mächtigen Kräften, von Unternehmen, in Besitz genommen worden ist -, beispiellos hoch ist. 70 bis 80 Prozent der Befragten sagen, dass das System von Interessengruppen okkupiert ist, dass die Richtung des Landes nicht die eigenen Bedürfnisse und Ansprüche widerspiegelt. Nun, das ist Dissidens, Widerspruch. Die Menschen sagen damit: „Wir gehören nicht zum System. Es dient nicht unseren Interessen. Es ist kein gerechtfertigtes System.“ Die Systemunzufriedenheit ist im Moment äußerst hoch. Auf einer zweiten Ebene, der der Organisationen, die das System herausfordern können, sieht es anders aus. Dort befindet sich Dissidens in den USA auf dem niedrigsten Stand der letzten hundert Jahre. Ich würde sogar behaupten in der Moderne. Nach der Französischen Revolution, der Restauration und der Zeit der Reaktion erneuerte sich die Linke in Frankreich und Deutschland. Seit der Geburt der modernen Linken um 1830  gab es immer eine eindeutige antikapitalistische Kraft im Westen entweder in den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften oder in der Intelligenz. Das stimmt für Europa, aber auch für die USA. Alle dreißig, vierzig Jahre gab es eine große antikapitalistische Explosion. So 1848, in den 1870er Jahren, in den 1910er und den 30er Jahren und während der 60er Jahre. Alle diese Ausbrüche wurden geführt und organisiert von politischen Organisationen wie Gewerkschaften oder Parteien. Seit vierzig Jahren hat es nun schon kein solches antikapitalistisches Ereignis mehr gegeben – sowohl in Europa als auch in den USA. Während der letzten vierzig Jahre sind die Organisationen der Linken entweder zerstört oder in Status quo erhaltende Institutionen verwandelt worden. In den USA gibt es heute nicht mal eine kleine linke Partei. Die Vereinigten Staaten hatten nie eine nennenswerte sozialistische Partei. Aber es gab eine sehr bedeutsame Schicht von Sozialisten in den Gewerkschaften. Selbst das ist heute nicht mehr vorhanden. Es gibt nur noch äußerst kleine Gruppen hier und da. Also auf der Ebene der politischen Organisation gibt es in den Gewerkschaften zum ersten Mal in der Geschichte keinerlei antikapitalistische Strömung, die irgendeinen Einfluss hätte. Es sollte daher nicht erstaunen, dass auf der dritten Ebene, den Intellektuellen, die Zahl von Dissidenten auch sehr gering ist. Das mag manche überraschen, da sich doch viele in den Universitäten Linke nennen. Doch was heißt das? Historisch gesehen galt jemand als Progressiver, Radikaler oder Dissident, wenn er antikapitalistisch eingestellt war. Im Prinzip sagt ein Linker, dass soziales Leiden in kapitalistischen Strukturen wurzelt und nicht darin, dass eine schlechte Partei oder schlechte Politiker an der Macht sind. Wenn man Dissidens in dieser Weise versteht, dann ist es hierzulande bei den Intellektuellen ein marginales Phänomen. Sicher, es gibt dissidente Stimmen, sie sind sichtbar, aber es sind wenige. Der Grund dafür ist meines Erachtens: Alle drei Ebenen sind miteinander verbunden. Nur unter bestimmten Umständen vergrößert sich die Zahl antikapitalistisch eingestellter Intellektueller. Groß meint hier ein Prozent der Intellektuellen. Es kann durch eine antikapitalistische Bewegung initiiert werden, die die Intellektuellen mit sich zieht, oder durch antikapitalistische Organisationen, die für die Intelligenz einen Ort bieten, wo sie sich den Linken anschließen kann, ohne sozial stigmatisiert zu werden. Man muss sich klar machen, dass Intellektuelle gut ausgebildetes Mittelklassepersonal sind. Ihr Interesse ist dasselbe wie das von Wirtschaftsprüfern oder Autohändlern. Sie wollen ihre Karrieren voranbringen. Ihre Weltsicht ist von einem komfortablen Lebensstil geprägt. Ihre Ansprüche sind größtenteils berufsbezogen, was heißt, sich an die Regeln zu halten. Wenn sie die Regeln zum Beispiel ihrer Universität oder der Gesellschaft in Frage stellen sollen, dann müssen sie dazu förmlich gedrängt werden. Ohne Zwang verhalten sie sich meistens konformistisch. Die, die sich in den USA links nennen, sind tatsächlich Demokraten. Sie opponieren gegen den rechten Flügel des Status quo. Sie selbst nehmen den linken Flügel des Status quo ein. Sie sind der linke Flügel dessen, was noch respektiert werden kann. Was aber noch respektiert werden kann, wird von den herrschenden gesellschaftlichen Kräften bestimmt, nicht von dissidenten.

Amy Goodman: Wir waren ja nicht allein. Über 40 Journalisten wurden in jener Woche verhaftet. Dann kam die Occupy-Bewegung. Man versuchte Occupy gewaltsam zu unterdrücken. Wissen Sie, wie viele tausend Protestierende in den USA verhaftet wurden? Wie viele Journalisten, die über Proteste berichteten, verhaftet wurden?  Wir haben in den USA ein Gesetz namens Posse Comitatus, das besagt, dass Soldaten nicht im Inneren eingesetzt werden dürfen. Und das ist gut so. Ich glaube, die Behörden versuchen dieses Gesetz zu umgehen, indem die Polizei militarisiert wird. Es sind also keine Soldaten, aber die Polizei ist dermaßen militarisiert, dass sie sich nicht mehr groß vom Militär unterscheidet. Seit dem 11. September 2001 verfügt sie über ein Milliardenbudget, örtlichen Polizeibehörden stehen Drohnen zur Verfügung, sie haben Panzer und ein Überwachungsarsenal, das beispiellos ist. All das muss in Frage gestellt werden, denn hier geht es um Übergriffe auf eine überwiegend friedliche Bewegung.

Medea Benjamin: Wir stören Anhörungen und Tagungen, sowohl der Republikaner als auch der Demokraten, denn wir finden, dass unsere Regierung korrumpiert ist. Jahrelang versuchten wir den netten Weg zu gehen, Kongressabgeordnete zu treffen, sie freundlich zu fragen, ob sie gegen die Kriegsfinanzierung stimmen würden. Mittlerweile sagen sieben von zehn Amerikanern, inklusive des Großteils der Republikaner, dass der Krieg in Afghanistan es nicht wert sei, gekämpft zu werden. Und trotzdem geben unsere gewählten Vertreter jedes Jahr unser Geld an die Rüstungsindustrie, obgleich wir es so verzweifelt hier bräuchten. Die Politiker hören der amerikanischen Öffentlichkeit nicht zu. Sie hören auf Menschen, die alle zwei Jahre ihre Taschen öffnen, wenn es darum geht, wiedergewählt zu werden. Ich finde ein System lächerlich, in dem alle zwei Jahre ein Kongressabgeordneter Millionen an Dollar eintreiben muss, um wiedergewählt zu werden. Daher hören sie eher auf die großen Lobbygruppen als auf die Stimme der Mehrzahl der Amerikaner. Wir müssen lauter und bestimmter werden, um die Menschen zu erreichen. Darum besetzen wir die Büros von Politikern und weigern uns zu gehen, wir lassen uns festnehmen, wir unterbrechen Sitzungen usw. Manche nennen uns grob, aber wir denken, dass Aggressionskriege und Okkupationskriege weit unzivilisierter sind.

Amy Goodman: Es gibt für viele progressive politische Reformen eine Mehrheit in der Bevölkerung: Die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, um die Sparguthaben nicht in riskante Papiere zu investieren; ein dem Bildungssystem vergleichbares Gesundheitssystem, in dem allen eine Grundversorgung zusteht. Sollte jemand zusätzliche Wünsche haben, so ist das eine persönliche Entscheidung. Doch das wird durch die Großkonzerne in Frage gestellt, die die ganze Welt privatisieren wollen. Und durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes haben sie in den Vereinigten Staaten die Oberhand. Aber die Menschen sind zutiefst besorgt und es wird einen Wendepunkt geben - das werden wir erleben. Und ich glaube, die Occupy-Bewegung war erst der Anfang dieses Wendepunktes.