02.11.2012
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Einleitung: 

Barack Obama versprach, Guantanamo zu schließen, den Irakkrieg zu beenden, die globale Führung bei alternativen Energien zu übernehmen, sich für soziale Gleichheit und Steuergerechtigkeit einzusetzen. Viele seiner Versprechen hat Obama nicht eingehalten, viele Hoffnungen enttäuscht. Er hat den Afghanistankrieg eskaliert und den illegalen Drohnenkrieg ausgeweitet. In den letzten Jahren wurden vier Millionen Hausbesitzer und Familien in den USA durch Banken zwangsenteignet, während die Finanzindustrie wieder Gewinne macht und großzügig Boni ausschüttet. Obama hat auch den Einstieg in eine öffentliche Krankenversicherung mit seiner Gesundheitsreform blockiert. Seine Bürgerrechtspolitik wird heute als restriktiver als die seines Vorgängers Bush angesehen. Unter Obamas Präsidentschaft sind mehr Whistleblower ins Gefängnis gekommen als unter allen US-Präsidenten zusammen genommen.

 

Gäste: 
Amy Goodman: Moderatorin von Democracy Now!, Trägerin des Alternativen Nobelpreises und Autorin von "The Silenced Majority"
Medea Benjamin: Gründer der Frauenaktivistengruppe Code Pink und Autorin von "Drone Warfare"
Michael Albert: Gründer von ZCommunications und dem South End Press Verlag, Autor von "Beyond Capitalism"
Bill McKibben: Umweltjournalist u. -aktivist, Gründer von 350.org, Autor von "The End of Nature"
Vivek Chibber: Soziologe an der New York University, Mitarbeiter Brecht Forum und Left Forum
Benjamin Day: Aktivist bei MassCare;
Transkript: 

David Goeßmann: Vor vier Jahren knüpfte man auf der ganzen Welt an den ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten die Hoffnung auf Wandel. Barack Obama versprach, Guantanamo zu schließen, den Irakkrieg zu beenden, die globale Führung bei alternativen Energien zu übernehmen, sich für soziale Gleichheit und Steuergerechtigkeit einzusetzen. Viele seiner Versprechen hat Obama nicht eingehalten, viele Hoffnungen enttäuscht. Er hat den Afghanistankrieg eskaliert und den illegalen Drohnenkrieg ausgeweitet. In den letzten Jahren haben vier Millionen Familien in den USA ihr Haus durch Banken-Zwangsenteignungen verloren, während die Finanzindustrie wieder Gewinne macht und großzügig Boni ausschüttet.

Fabian Scheidler: Obama hat auch den Einstieg in eine staatliche Krankenversicherung mit seiner Gesundheitsreform blockiert. Seine Bürgerrechtspolitik wird heute als restriktiver als die seines Vorgängers Bush angesehen. Unter Obamas Präsidentschaft sind mehr Whistleblower ins Gefängnis gekommen als unter allen US-Präsidenten zusammen genommen. Amy Goodman, Vivek Chibber, Medea Benjamin, Bill McKibben, Benjamin Day und Michael Albert ziehen Bilanz der ersten Amtszeit Obamas:

Amy Goodman: Diese Leute sind so frustriert, dass Wohlstand schneller und schneller nach oben umverteilt wird. Die Leute sind so frustriert, dass der Wohlstand immer schneller von unten nach oben umverteilt wird. Unser Land wird von Tag zu Tag ungerechter und ist weltweit eines der Länder mit der geringsten Gleichbehandlung. Das ist sehr ernst und es stellt sich die Frage: Haben die Demokraten im Vergleich zu den Republikanern eine andere Position? Präsident Obama hat soziale Gleichheit damals zum Wahlkampfthema gemacht und trotzdem hat er sich mit Bankern und deren Unterstützern umgeben, genau wie Präsident Bush es gemacht hat. Sie stehen unter besonderem Schutz, während sie massive Verbrechen begehen, wer weiß wie viele Milliarden Dollar den Menschen stehlen, die es am wenigsten verkraften können. Wer wird dafür zur Rechenschaft gezogen? Stattdessen bewegen sie sich frei in den Machtzentralen in Washington und lassen weiter Geld fließen, um nicht im Gefängnis zu landen. Sie bestimmen, wie die Gesetze geschrieben oder nicht geschrieben werden. Und so ist das nicht gedacht, das muss sich ändern. Daher brauchen wir Medien, die die Ansichten der Mehrheit der Menschen in diesem Land widerspiegeln und nicht die einer kleinen Elite.

Vivek Chibber: Bisher lassen sich zwei Pole in Obamas Politik ausmachen. Zuerst einmal hat Obama die Banken von all ihrer Schuldenverantwortung und all ihren Fehler freigesprochen und die Verluste der Zentralbank zugeschoben. Zugleich hat er die gesamten Kosten der Krise von der arbeitenden Bevölkerung tragen lassen. Die Krise ist auch nicht überwunden. Die Wirtschaft und der Finanzsektor sind immer noch sehr schwach. Es scheint, dass es eine oberflächliche Erholung gibt. Der Aktienmarkt hat sich ein wenig aufgerappelt, es gibt wieder ein wenig Wachstum. Das Problem ist aber, dass die strukturellen Bedingungen, die die Krise hervorgebracht haben, also massive Schulden, risikoreiche Fremdkapitalhebel bei Privatleuten als auch Unternehmen, weiter existieren. Dass das so ist, darüber herrscht Konsens. Eine Reihe von politischen Maßnahmen sind von Obama und davor von Bush ergriffen worden. Man hoffte auf Verbesserung, man hoffte, solange auszuhalten, bis die Erholung in der Realwirtschaft und den Unternehmen den Finanzsektor mitziehen würde. Inzwischen ist die Arbeitslosigkeit offiziell bei rund acht Prozent, inoffiziell ist sie wohl bei 15 Prozent. Sehr große Teile der Bevölkerung haben aufgegeben, nach Arbeit zu suchen. Renten und Pensionen haben sich in nichts aufgelöst. Das erstaunlichste an der jetzigen Lage ist, dass, während es für jeden vollkommen klar ist, dass ein enormes Ausmaß an Korruption,  Manipulationen der Börsenkurse, Aushöhlung von Regulierungen und schamlosem Betrug im Bankensektor die strukturellen Probleme noch verschärfte, es bisher keine einzige Anklage dagegen gegeben hat. Es gibt auch keinerlei Absicht, das zu tun. Es finden nicht mal Anhörungen im Kongress oder Untersuchungen statt. Im Grunde hat die amerikanische Elite entschieden, sich selbst zu vergeben. Die Rechnung müssen die anderen bezahlen.

Benjamin Day: Sowohl für nicht versicherte wie unterversicherte Menschen kann Krankheit den finanziellen Ruin bedeuten. Zwei Drittel der Privatpleiten in den USA gehen auf zu hohe Gesundheitskosten zurück. Für zwei Drittel der Menschen, die die Hypotheken nicht mehr zahlen können und ihr Haus dann durch Zwangsvollstreckungen verlieren, gilt das gleiche. Natürlich vermeiden Menschen ohne Versicherungsschutz medizinische Versorgung, weil sie es sich nicht leisten können. Das gilt im Übrigen auch für viele mit schlechtem Versicherungsschutz. Das amerikanische Gesundheitssystem ruiniert die Gesundheit der Menschen. Es lässt Menschen buchstäblich sterben. 45.000 Amerikaner sterben jährlich an den Folgen fehlenden Versicherungsschutzes. Das System tötet Menschen, macht sie kränker. Es führt in vielfältiger Weise zu finanziellem Ruin, ruiniert menschliche Grundbedürfnisse wie Wohnen und Ernährung. Das Gesundheitssystem ist die destruktivste ökonomische Kraft in den Vereinigten Staaten. Das was Obama nun mit seiner Gesundheitsreform auf nationaler Ebene durchgesetzt hat, ist das gleiche, was der damalige Gouvaneur Romney hier im Bundesstaat Massachusetts 2006 einführte. Das Gesetz verbessert kaum den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Es findet auch keinerlei Kostenkontrolle statt. Obama wusste, dass die Gesundheitsindustrie das Gesetz dann bekämpft hätte. Die Profite der Gesundheitsindustrie wurden also geschützt. Daher bringt die Reform keine wirkliche Verbesserung. Die medizinische Versorgung wird unbezahlbar werden. Die Kosten werden wahrscheinlich in die Höhe schießen. Der Zugang zur Versorgung wird weiter prekär sein. Sicher, es gibt Verbesserungen im Kleinen. Einige Leute, die bisher nicht abgesichert waren, sollen durch das Gesetz eine Krankenversicherung bekommen. Die Reform geht einige der schlimmsten Exzesse der Industrie an - wie man sie in Michael Moores Dokumentarfilm Sicko sehen konnte -, also dass Versicherte, sobald sie krank werden, fallengelassen werden oder chronisch Kranke erst gar keine Versicherung bekommen. Das sind richtige Schritte. Aber die Reform ist Stückwerk und geht die tieferen Probleme nicht an, die darin bestehen, dass die Gesundheitskosten derart hoch sind, dass wir nicht jeden versichern können. Wir müssen die profitgetriebenen Unternehmen aus dem Gesundheitssystem entfernen. Wenn das nicht geschieht, werden wir niemals bezahlbaren Zugang zu guter Gesundheitsversorgung in den USA erhalten.“

Medea Benjamin: Es ist ironisch und tragisch, dass ein Präsident, der Jurist für Verfassungsrecht ist und den Friedensnobelpreis erhalten hat, jede Woche eine Sitzung am sogenannten „Terror-Dienstag“ abhält, wo er seine Berater zusammen ruft, Steckbriefe von Menschen anschaut, die Baseball-Spielkarten ähneln, und dann entscheidet, wer auf die sogenannte Todesliste, die Kill-List, kommt. Er fällt das Urteil, wer leben und wer sterben wird. Er nimmt die Rolle des Anklägers, des Richters, der Geschworenen und des Henkers in einer Person ein. Ich halte es für unerträglich, dass die Amerikaner diese Art von Attentaten weiterhin zulassen. Es gab Zeiten in unserer Geschichte, als unsere Regierung sagte, dass die USA sich nicht an politischen Attentaten beteiligen werde, die absolut illegal sind. Es gab Zeiten in denen der Kongress aufstand und sagte, dass die CIA mit ihren geheimen Mordprogrammen außer Kontrolle geraten sei und gestoppt werden müsse. Derzeit haben wir keinen Kongress der aufsteht, um diese illegalen Morde zu stoppen, und wir haben eine Exekutive, angeführt durch Präsident Obama, die mit ihrer eigenen Tötungsliste umfassend daran beteiligt ist.

Amy Goodman: Sind die USA an Kriegen beteiligt, schenken die Medien dieser Tatsache viel Aufmerksamkeit, aber nicht denjenigen, gegen die Krieg geführt wird, sondern den Menschen, die die Bomben abwerfen. Und wenn sie das Land wieder verlassen, erlischt jegliches Interesse. Wir müssen aber auch verstehen, was nach einem Krieg passiert. Und dann gibt es noch Jemen und Pakistan. Hier führt Präsident Obama eine Liste mit Personen, die er persönlich zur Tötung freigibt. Das wäre vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Wir befinden uns an einem Punkt, an dem Obama konservativer ist als einige der konservativsten republikanischen Präsidenten. Vergleichen Sie Obama mit Richard Nixon. Es ist unglaublich, das erwähnen zu müssen, aber Obama hatte angekündigt, Guantanamo als eine seiner ersten Amtshandlungen innerhalb eines Jahres zu schließen, aber es ist nicht geschehen. Der Drohnenkrieg wird ausgeweitet und, so traurig es auch ist, solange es keine Toten gibt - amerikanische Tote - schenkt dem niemand Beachtung. Beim Drohnenkrieg werden auf amerikanischen Basen Knöpfe gedrückt, die am anderen Ende der Welt Opfer fordern. Wir wollen keine dieser Opfer zu Gesicht bekommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Krieg im 21. Jahrhundert keine Antwort auf Konflikte ist. Und wir brauchen deshalb Medien, die über die Ansichten der Friedensstifter, der Diplomaten, der Friedensaktivisten berichtet und nicht die der Kriegstreiber.

Bill McKibben: Obama war besser als George Bush, andererseits habe ich schon mehr Bier getrunken als meine 14-jährige Nichte. Es ist keine besondere Leistung, in Umweltfragen besser als George Bush zu sein. Gemessen an der Größe des Problems hat Obama nicht einmal ansatzweise genug getan. Es war schwer für ihn, da der republikanisch dominierte Kongress alle Bemühungen blockiert hat. Aber in Bereichen, in denen er freie Hand hatte, hat er einerseits gute Entscheidungen getroffen, beispielsweise die Verbesserung der Kilometerleistung von Autos, andererseits einige schlechte, wie die Erschließung der Arktis für die Ölförderung oder die Öffnung des „Powder River“ Beckens für die Kohleförderung. Unterm Strich hat Obama seine Versprechen nicht eingehalten, aber er ist mit Sicherheit besser als Romney. Ich finde es sehr verwunderlich, dass Klimawandel, Umweltschutz kein Thema im Wahlkampf ist. Wir haben in den USA die schlimmsten Wetterereignisse seit Beginn der Aufzeichnungen. Und es scheint als ob diese Leute einfach keine Notiz davon nehmen. Der Präsident hat im Juni in Pennsylvania eine Rede gehalten und es war so heiß, dass 15 oder 20 Zuhörer während der Rede zusammengebrochen sind, aber Obama hat diesen Vorfall nicht einmal zur Kenntnis genommen. Ganz zu schweigen davon, es in einen Zusammenhang mit der Rekordhitze zu stellen. Ich denke wir sind an einem Punkt, an dem die Politik über diese Dinge reden muss. Einer neuen Umfrage zufolge sind sich 70% der US-Bevölkerung des Klimawandels bewusst. Für amerikanische Verhältnisse ist das eine Menge - die Hälfte der Bevölkerung glaubt immer noch, dass Elvis am Leben sei - 70% Zustimmung für irgendwas zu erhalten ist ziemlich viel. Die Leute wissen, dass Klimawandel stattfindet, weil sie es mit eigenen Augen sehen.

Medea Benjamin: Es gibt einige Dinge, die die Menschen während des letzten Jahrzehnts gelernt haben sollten. Zuerst einmal, dass die Wirtschaft und das Militär viel mächtiger sind als ein Mensch im Weißen Haus. Diejenigen, die dachten, es gäbe grundlegende, große Veränderungen, als Obama dort hineinkam, wurden bitterlich enttäuscht und mussten lernen, dass der militärisch-industrielle Komplex einfach unglaublich riesig ist, dass Krieg eine eigene Schwungkraft hat und es eine Gruppe gibt, die vom Krieg profitiert und ständig Kriege sehen will. Um das zu beenden, reicht es nicht, eine neue Person ins Weiße Haus zu wählen, sondern es ist eine unabhängige Bewegung notwendig, unabhängig von Parteipolitik. Man sollte zudem realisieren, dass Obama nie mehr als ein Gemäßigter, ein Mann der politischen Mitte war. Unter ihm behielten die gleichen Menschen die Verantwortung über die Wirtschaft wie in der Bush-Regierung, die gleichen Menschen von der Wall Street. Und das gilt ebenso fürs Militär. Er behielt exakt dieselbe Person in der Verantwortung über das Militär wie Bush. Er ging also nicht ins Weiße Haus, um riesige Umwälzungen in den beiden wichtigsten Bereichen unseres Landes, der Wirtschaft und dem Militär, zu bewirken. Er beschritt den Weg der Kontinuität. Aber auf der anderen Seite ist er ein gut aussehender, gut redender und wortgewandter schwarzer Mann. Und es machte viele Menschen sehr stolz, in den USA erstmals einen schwarzen Präsidenten zu haben, und sie trauten sich nicht, gegen ihn zu protestieren. Manche mögen also sagen, dass Präsident Obama für das Establishment, für das eine Prozent, das die Wirtschaft beherrscht, ein wahres Geschenk war.

Michael Albert: Gewinnt Obama, dann wird er eine Rede halten, die sich erstaunlich sozialdemokratisch anhören wird. Viele gutmeinende Linke in den USA und auf der ganzen Welt werden aufstehen und sagen: „Ok, Obama war handlungsunfähig. Aber er hat das jetzt kapiert. Er wird diesmal kämpfen.“ Nun das ist ganz sicher falsch. Aber stellen wir uns einmal vor, dass der politische Wandel mit Obama tatsächlich eintreten würde. Viele Linke können sich das nicht vorstellen. Nun, schauen wir nach Venezuela. Chavez hat die Wahlen gewonnen. In seiner ursprünglichen Wahlkampfkampagne hat er die Sorgen der arbeitenden Menschen, des Großteils der Bevölkerung, angesprochen. Er gewinnt die Wahlen, weil er versprochen hat, die Situation für Arbeiter zu verbessern, die sozialen Härten und das Leiden, das sich aus Einkommensunterschieden speist, zu vermindern und so weiter. Er gewinnt und tritt seine erste Amtszeit an. Sein Sieg ist vergleichbar mit Obamas Change-Sieg. Chavez Rhetorik ging sicherlich weiter als die von Obama. Aber es hätte auch alles Rhetorik sein können. Chavez nimmt den Präsidentenstuhl ein und sieht sich einer Situation gegenüber, der sich auch Obama hätte stellen müssen, wenn er getan hätte, was er versprochen hatte. Also, stellen wir uns die Situation vor: Chavez sitzt nach der Wahl in einem Raum mit den mächtigen Interessengruppen in Venezuela. Und die sagen: „Worüber redest du? Du bist unser Präsident. Wir haben dich Präsident werden lassen. Wir haben dich nicht attackiert. Keine Kämpfe geführt, um dich zu verhindern. Du unterstehst uns. Du wirst also Politik machen, die uns nützt. Und Chavez sagte: „Nein. Ich werde das tun, was ich gesagt habe“. So etwa könnte es abgelaufen sein. Und dann beginnt dieser Krieg zwischen der nationalen Regierung auf der einen und den eingesessenen Gouvaneuren, Bürgermeistern, der Polizei, der religiösen Hierarchie und der Geldelite auf der anderen Seite. Stellen Sie sich vor, Obama hätte tatsächlich eine linke, progressive Wahlkampfagenda gehabt. Er kommt ins Weiße Haus und sagt den Mächtigen im Lande - aus Eigensinnigkeit oder innerer Überzeugung -, dass er seine Politik umsetzen werde. Und die sagen: „Nein, dass wirst du nicht tun!“ Und sie beginnen ihn zu attackieren. Er entscheidet sich zu kämpfen. Das ist es, was Chavez tat. Jetzt findet in Venezuela ein Prozess statt, in dem die von der bolivarischen Revolution inspirierte Spitze der Regierung, nicht allerdings die ganze Regierungsadministration, immer weiter nach links geht. Dass einige Leute in den USA glaubten, dass würde bei Obama auch geschehen: Nun, sie haben die Situation, die Wahrscheinlichkeit einer wahrhaft progressiven Agenda falsch eingeschätzt. Ok, Sie haben einen Fehler gemacht. Das passiert. Sich ein zweites Mal täuschen zu lassen würde sicherlich auf mangelnden Realitätssinns hindeuten. Aber einige werden diesen Fehler begehen.

Medea Benjamin: Ich glaube, dass die Menschen sehr genau wissen, dass Obama nicht die großen Veränderungen durchsetzen wird, dass er in erster Linie Politiker ist. Er ist bedacht darauf, die Macht bei sich und seiner Partei zu behalten, und ist nicht einer, der großartige Veränderungen beschließen wird, wenn es um Kriege und Wirtschaft geht. Er mag ein paar gute Sachen im sozialen Bereich gemacht haben. Aus wahltaktischen, politischen Motiven setzte er plötzlich das Thema Homosexuellen-Ehe auf die Agenda, tat etwas für Immigranten, das vielleicht besser ist, als das, was man von den Republikanern bekommen könnte, erlaubte Homosexuellen, im Militär zu dienen. Aber das sind alles kleine Dinge. Wenn es um die großen Sachen geht, glaube ich nicht, dass wir allzu viele Veränderungen von einem Präsidenten Obama in den nächsten Jahren bekommen werden. Außer wenn sich wieder eine Bewegung formen kann, außer wenn sich die Occupy-Bewegung wieder aufbaut, sich die Antikriegsbewegung erneuern kann und ihre Angst überwindet, gegen einen schwarzen Präsidenten zu protestieren und wirklich beginnt, diese Regierung unter Druck zu setzen. Dann wird sich etwas verändern.