03.01.2013
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Einleitung: 

Im Jahr 1996 entschied der Internationale Gerichtshof, dass der Einsatz von Atomwaffen und die Drohung damit grundsätzlich völkerrechtswidrig sind und unverzüglich mit Verhandlungen über die vollständige Abschaffung dieser Waffen begonnen werden muss. Alyn Ware arbeitet seither daran, diese Entscheidung in politische Wirklichkeit umzusetzen. Trotz Widerständen großer Atomstaaten wie den USA und Russland mache der Prozess inzwischen Fortschritte, so Ware. China, Indien und Pakistan unterstützen den Vorschlag, Verhandlungen über ein Verbot zu beginnen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat einen entsprechenden Plan für eine Nuklearwaffenkonvention vorgelegt. Bis zu einem Verbot sei es sinnvoll, weitere Atomwaffenfreie Zonen zu schaffen, wie sie bereits in Lateinamerika und der Karibik, im Südpazifik, der Antarktis, in Südost-Asien, Afrika und Zentralasien existieren.

Gäste: 

Alyn Ware, Mitglied des Weltzukunftsrates und Weltweiter Koordinator des Parlamentarischen Netzwerkes für Nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung (PNND), Träger des „Alternativen Nobelpreises“

Transkript: 

Theresia Reinhold: Willkommen bei Kontext TV, Alyn Ware. Sie setzen sich seit mehr als 20 Jahren für eine Atomwaffenfreie Welt ein. Können Sie uns bitte etwas über den heutigen Stand der Dinge erzählen?

Alyn Ware: Ich arbeite für nicht-staatliche Organisationen die den Vereinten Nationen Vorschläge unterbreiten. Aber es liegt an den Regierungen, diese Vorschläge anzunehmen, denn es sind die Regierungen, die Resolutionen einbringen und darüber abstimmen können. Also sind wir eine Art Ratgeber, wir machen Empfehlungen. Das war zum Beispiel meine Arbeit, als 1994 ein Fall vor den Internationalen Gerichtshof gebracht wurde, der 1996 abgeschlossen wurde. Um vor den Internationalen Gerichtshof zu gehen, brauchten wir eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Deshalb habe ich im Vorfeld mit vielen Regierungen gearbeitet, damit sie ausreichende politische Stärke gewinnen, um gegen die Staaten mit Nuklearen Waffen vorzugehen, die im UN-System sehr viel Macht haben. Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs war eine sehr gute. Sie besagte, dass die Verwendung Nuklearer Waffen generell illegal ist und dass es verpflichtend ist, in Verhandlungen über ihre komplette Abschaffung einzutreten. Danach gingen wir zurück zur Vollversammlung mit einer Resolution die besagte, dass die Entscheidung des Gerichtshofes angewandt werden soll. 130 Staaten stimmten dafür. Das zeigt, dass die meisten Regierungen der Welt die Abschaffung Nuklearer Waffen unterstützen, und zwar durch einen Vertrag, der jetzt verhandelt werden muss. Nicht erst irgendwann in der Zukunft, wenn die Welt ein sicherer Ort ist, es sollte an keine Bedingungen gebunden sein. Diese Waffen sind illegal, sie sind inhuman, sie beeinträchtigen unsere Sicherheit. Es ist an der Zeit, gemeinsam Anstrengungen zu unternehmen und einem globalen Vertrag zu erarbeiten, um sie zu beseitigen. Daran arbeite ich. Und es geht voran, mittlerweile hat der UN Generalsekretär seinen Plan zur Abrüstung vorgebracht, der auch den Vorschlag für eine Nuklearwaffen-Konvention enthält. Es gibt einen Modell-Vertrag, der demonstriert, wie dies praktisch durchgesetzt werden kann. Er enthält die verschiedenen Aspekte, die in einem solchen Vertrag von Nöten sein werden. Es gibt außerdem bereits den Atomwaffensperrvertrag, dem die meisten Staaten, inklusive der Staaten, die Atomwaffen besitzen, zugestimmt haben, und der besagt, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um zu einer atomwaffenfreien Welt zu gelangen und die entsprechenden Rahmenbedingungen herzustellen. Die Staaten haben dem also zugestimmt, sind aber noch nicht wirklich aktiv geworden. Deswegen arbeite ich auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, die dabei helfen werden, die Regierungen dazu zu bringen das umzusetzen, wofür sie gestimmt haben. Parlamentarier sind eine wichtige Gruppe dabei, weil sie die Regierungen herausfordern können oder die Thematik ins Parlament einbringen können. Sie können die Bewilligung von Mitteln, die nötig sind, um für atomare Abrüstung aktiv zu werden, vorantreiben, sie repräsentieren den Willen der Menschen, sie sind gewählt. Genauso arbeiten wir mit der Zivilgesellschaft, mit Bürgermeistern, mit Städten, um politische Anziehungskraft für das Projekt zu schaffen und es in Schwung zu bringen.

Die Resolutionen der UN-Vollversammlung sind generell nicht bindend, sie drücken eher die Wünsche einer Mehrheit von Staaten aus. Wenn es aber zu einstimmigen Beschlüssen kommt, bedeutet das, dass man ernsthaft damit arbeiten kann. Wenn kein Konsens vorliegt, hängt es davon ab, welche Regierungen zugestimmt haben und welche nicht. Zum Beispiel gibt es nicht bindende UN-Resolutionen, die Verhandlungen über umfassende Verbote von Atomtests fordern - und diese Verhandlungen finden nun statt. Ein anderes Beispiel betrifft ein Abkommen über Waffenhandel, die Verhandlungen finden jetzt statt, sind aber noch nicht abgeschlossen. An der Resolution über das Verbot nuklearer Waffen habe ich selbst mitgearbeitet. Leider gibt es noch nicht genügend Atomwaffen-Staaten, die dies unterstützen. Wir haben einige: China unterstützt es zum Beispiel, Indien und Pakistan - die beide Atomwaffen besitzen- unterstützen den Vorschlag, Verhandlungen über ein Verbot zu beginnen. Aber die anderen Staaten, die Atomwaffen besitzen, und einige ihrer Verbündeten sind dagegen. Wir brauchen nicht unbedingt alle Atomstaaten an Bord. Aber wenn es zu wenige sind, ist es nicht klug, mit den Verhandlungen zu beginnen, weil die anderen nur daneben stehen und sich heraushalten. Also müssen wir sie motivieren den Verhandlungen beizutreten, das ist ein Teil der Arbeit die wir machen. Die Unterstützung der UN-Resolutionen beinhaltet eine Menge informeller Treffen der Regierungen für die Vorbereitung eines solchen Vertrages, um den Weg zu tatsächlichen Verhandlungen zu ebnen. Dieser Vertrag würde Atomwaffen verbieten. Er würde nicht nur die Drohung mit ihnen oder ihre Nutzung für illegal erklären sondern auch ihren Besitz. Er würde außerdem ein klar umrissenes Programm für die einzelnen Schritte zur vollständigen Vernichtung der Waffenarsenale beinhalten. Und es würde viele Maßnahmen geben um das zu verstärken, einschließlich beispielsweise einer bindende Resolution des UN-Sicherheitsrates, der es für illegal und kriminell vor dem Internationalen Gerichtshof erklären würde, in nukleare Operationen involviert zu sein. Es gibt also auf globaler Ebene umfassende Bemühungen, das Verbot Nuklearer Waffen voranzutreiben. Das ist die Idee des Vertrags.

Theresia Reinhold: Welche Bedeutung haben Verbote wenn es immer noch Länder wie die USA gibt, die mehr als genug Sprengköpfe besitzen und anstatt diese wirklich abzurüsten einfach die alten wegwerfen aber dennoch zu viele Nukleare Waffen besitzen?

Alyn Ware: Ein erster Schritt ist die Einrichtung atomwaffenfreier Zonen, von denen es bereits einige gibt: in Lateinamerika, im Pazifik, der Antarktis, in Südost-Asien, Afrika und Zentralasien. Die Staaten solcher Zonen sagen: Wir wollen keine Nuklearen Waffen auf unserem Territorium haben. Im Gegenzug fordern wir die Atomwaffen-Staaten auf, uns nicht damit zu bedrohen oder sie gegen uns zu verwenden. Das ist ein guter Schritt in Richtung einer Welt frei von Nuklearen Waffen. Und es gibt weitere Vorschläge für atomwaffenfreie Zonen: im Mittleren Osten, in Nord-Ost Asien und der arktischen Region. Gleichzeitig ermutigen wir Staaten wie die USA, ihren Verpflichtungen nachzugehen. Alle Staaten mit Nuklearen Waffen haben sich unter dem Non Proliferation Treaty - dem Atomwaffensperrvertrag - verpflichtet, die Nukleare Abrüstung voranzubringen. Der Internationale Gerichtshof hat bestätigt, dass diese Verpflichtung besteht, unabhängig davon, was sonst geschieht. Man kann also nicht sagen: Wir mögen die Idee Nuklearer Abrüstung, aber wir können ihr nicht nachgehen, ehe die Welt nicht ein sicherer Ort ist und jeder Bäume umarmt oder Vegetarier ist oder was auch immer. Im Grunde sagt der Gerichtshof, dass es sich um eine einzigartige Verpflichtung handelt, und zwar aufgrund der einzigartigen Destruktivität Nuklearer Waffen. Es ist unmöglich sie zu kontrollieren, weder in Zeit noch im Raum. Die Strahlung verbreitet sich überall und überdauert Generationen. Also gibt es eine Verpflichtung und wir können die Besitzer Nuklearer Waffen motivieren danach zu handeln und tatsächlich Schritte einzuleiten und nicht weiter den falschen Weg zu gehen, den einige von ihnen schon gegangen sind.
In den USA haben wir derzeit einen Präsidenten, Obama, der sich einer atomwaffenfreien Welt verpflichtet hat und der eine Reihe von Initiativen voranbrachte und die US-Atomwaffen-Politik neu formte. Aber er ist nicht die einzige Person in den USA, die Einfluss hat, es gibt den Kongress, die Opposition im Senat, die Republikaner, die sagen, dass sie Obamas Abrüstungsvertrag mit Russland nicht unterstützen, solange er ihnen nicht mehr Geld für den Bau neuer Atomwaffen bereitstellt. Sie versuchen den gesamten Prozess so zu ändern, und sie haben Kontrolle  über die Ratifikation des Vertrags, die vom Senat beschlossen werden muss. Obama muss sich also mit Kräften innerhalb seines eigenen Landes auseinandersetzen, die versuchen, seiner Vision einer atomwaffenfreien Welt zu untergraben. Ich denke wir sollten nicht zynisch werden, wenn es nicht so schnell geht, wie wir wollen. Wir sollten die Kräfte in den USA und anderen Atomwaffenstaaten, die eine Veränderung wollen, unterstützen und bestärken.