01.06.2012
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Einleitung: 

Viele asiatische Länder waren "Versuchskaninchen" der Wasserprivatisierung, sagt Mary Ann Manahan von der Organisation Focus on the Global South aus den Philippinen. Mit verheerenden Folgen: In Manila seien die Wasserpreise seit 1997 um bis zu 1.000 Prozent gestiegen. Das Konzept einer "green economy", das im Zentrum des Umweltgipfels Rio+20 stehen wird, könnte die Kommerzialisierung der Wassernutzung sogar noch weiter vorantreiben. In Indien und China würden zudem große Staudammbauten, die Wasser zu Metropolen wie Shanghai kanalisieren, Konflikte um den Zugang zu Süßwasser anheizen - bis hin zu Kriegen. Ein Beispiel sei die Stauung des Mekong in Tibet und der chinesischen Provinz Yunnan, die den Anrainerstaaten stromabwärts das Wasser abgrabe.
 

Gäste: 

Mary Ann Manahan, Focus on the Global South, Manila

Transkript: 

David Goeßmann: Asien ist neben Afrika der Kontinent, der am heftigsten von der Wasserkrise betroffen sein wird. Das Abschmelzen der Himalayagletscher aufgrund des Klimawandels sowie Übernutzung und Verschmutzung von Wasserressourcen durch Industrie und Landwirtschaft stellen die wachsenden Bevölkerungen in Asien vor enorme Herausforderungen.

Fabian Scheidler: Wir sprachen mit Mary Ann Manahan aus den Philippinen, Wasserexpertin bei der Organisation Focus on the Global South, über die Situation in Asien, speziell in China und auf den Philippinen. Wir fragten sie auch, was sie vom kommenden Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro und dem dort vertretenen Konzept einer "grünen Wirtschaft" erwartet.

Fabian Scheidler: Im Rahmen des Rio+20 Gipfels in Rio de Janeiro im Juni wurde viel über grüne Wirtschaft und grünes Wachstum gesprochen, wobei Kritiker angemerkt haben, dass dieses Konzept hauptsächlich dazu beiträgt, den Privatunternehmen Profite zu bescheren. Wie stehen Sie zu grüner Wirtschaft, grünem Wachstum und der Kommerzialisierung der Natur?
 
Mary Ann Manahan:  Das wird eine Menge Probleme verursachen in Hinblick auf den politischen Spielraum nicht nur der Regierungen, sondern auch der Gemeinden, wie wie ihre Ressourcen verwaltet werden. Und ich glaube, dass das für viele von uns, die wir uns gegen Wasser- und Landraub gewehrt und für die Rechte der Bauern eingesetzt haben, nicht akzeptabel ist. Wenn all das auf den Markt geworfen wird, wird alles kommerzialisiert und alles wird nur noch als Ware angesehen. Letztendlich werden die Armen und Ausgegrenzten, einschließlich der indigenen Völker, die Slumbewohner, die Landbevölkerung und so weiter, darunter leiden. Ich glaube, das ist extremer Neoliberalismus und ich glaube die Privatunternehmen betrachten die Natur als letzte große Herausforderung, um Profite zu erzielen. Es ist also in Wirklichkeit eine gierige Wirtschaft, nicht eine grüne Wirtschaft.

David Goeßmann: Welche Hauptprobleme gibt es in Asien in Hinblick auf Zugang zu Wasser und Wasserversorgung?

Mary Ann Manahan: Viele der asiatischen Regierungen, einschließlich die der Philippinen, woher ich komme, glauben fest an die Rolle der Märkte und Privatunternehmen bei der Grundversorgung, einschließlich der Wasserversorgung. Wir waren in den letzten 30 Jahren die Versuchskaninchen der Privatisierung. Dieser Versuch ist kläglich gescheitert. Im Fall von Metro Manila, der Hauptstadt der Philippinen, deren öffentliche Wasserversorgung 1997 privatisiert wurde, hat man uns eine effizientere, bessere Wasserversorgung versprochen, und dass die Preissenkungen der Bevölkerung von Metro Manila zu gute kommen würden. Aber was muss man resümieren, wenn man auf die letzten 15 Jahre dieses Experiments zurückblickt? Zum einen sehen wir einen kontinuierlichen Anstieg der Wasserpreise. Sie sind seit 1997 sprunghaft angestiegen, um 800 bis 1000 Prozent in Metro Manila. Zudem sind armen Gemeinden, insbesondere die städtischen Armenviertel und Slums, nicht Teil der Geschäftspläne der beiden privaten Unternehmen. Die Menschen dort sind für die beiden Wasserkonzerne schlichtweg nicht von kommerziellem Interesse. Deshalb wurde das sogenannte "Tankwasserkonzept"? eingeführt. Tanklaster bringen nun Trinkwasser in die Gemeinden, die für diesen Service an die Konzerne Geld bezahlen müssen. Die beiden großen Wasserbetriebe übernehmen also ihre Verantwortung nicht, alle Haushalte an das Wasserleitungsnetz anzuschließen, wozu sie vertraglich eigentlich verpflichtet sind. Es sind also eigentlich die kleinen Wasserbetriebe, die Nachbarschaftsinitiativen und Genossenschaften, die diese Lücke in Metro Manila schließen. Ein anderes Problem in diesem Zusammenhang ist, dass viele asiatische Regierungen neben der Rohstoffindustrie, wie beispielsweise den Bergbau, auch  große Wasserkraftwerke und Megadämme fördern, um insbesondere für die städtische Bevölkerung neue Wasserquellen zu erschließen. Es findet in China und Indien statt. In China sind zum Beispiel mehrere Staudämme gebaut worden, Flüsse im Süden wurden miteinander verbunden, so dass sie in den Norden fließen konnten, um den gestiegenen Bedarf in Großstädten, wie Schanghai oder Peking zu decken. Das hat natürlich die Wasserversorgung im ländlichen Süden komplett verändert. Daraus ergibt sich ein anderes Problem für Länder, die Gewässer mit anderen Ländern teilen, wie beispielsweise in China der Mekong, der auch durch viele südostasiatischen Länder fließt. In Tibet liegt die Hauptquelle des Flusses und das Land versucht nun mit Staudämmen den eigenen Wasserbedarf zu sichern. Das hat natürlich große Auswirkungen auf die Menschen, Länder und Staaten flussabwärts. Das ist ein geopolitischer Konflikt, der in der Region bereits existiert und die Wasserprobleme verstärkt. Es handelt sich also um ein großes Problem und es ist ein sehr schwieriges Thema. Ich glaube, dass das zu Kriegen führen wird, wenn es uns nicht gelingt, regional Mechanismen zu entwickeln, die die lokale Bevölkerung an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Ich sehe selbst die Gefahr eines dritten Weltkriegs im Kampf Wasserressourcen.

David Goeßmann: Wofür treten Sie ein und was sollte in Asien getan werden, um die von Ihnen erwähnten Wasserkriege in Asien zu verhindern?

Mary Ann Manahan: Eine unserer wichtigsten Forderungen ist, dass wir zuallererst einmal unsere Regierungen, die asiatischen Regierungen, in die Verantwortung nehmen sollten. Wir sollten darauf drängen, dass sie sich zur Einhaltung des Menschenrechts auf Wasser und sanitäre Einrichtungen verpflichten. Zum zweiten fordern wir von den Regierungen, dass sie sich den Forderungen der internationalen Finanzinstitutionen widersetzen, Privatisierung als einziges Mittel der Bereitstellung öffentlicher Leistungen und Ressourcenbewirtschaftung anzusehen, die in der Region offenkundig weitgehend versagt hat. Wir fordern darüber hinaus auf regionaler und nationaler Ebene die Förderung von Alternativen zur Privatisierung, die in der Region im Überfluss vorhanden sind und dass der institutionelle und politische Handlungsspielraum erweitert wird. Es gibt so viele beeindruckende Beispiele für die Einsatzbereitschaft der Gemeinschaften für eine innovative und kreative Wasserversorgung aus öffentlicher Hand. Wir wollen, dass das gefördert wird und wir wollen, dass der Staat diese Modelle mit öffentlichen Mitteln fördert, anstatt Privatisierungen zu unterstützen. Unsere vierte Forderung zielt darauf, die Frage des Wassers mit anderen Rechten zu verknüpfen. Das bedeutet eine Verbindung herzustellen, zu den Bauern, die sich gegen Wasser- und Landraub wehren, den indigenen Völkern, die um Anerkennung kämpfen und zu anderen Bewegungen, die ähnliche Ziele haben. Da sich ein Recht nur schwer vom anderen trennen lässt, besteht eine Querverbindung. Insbesondere, weil unsere Gegner, die Privatisierer, die Großunternehmen, diese Verbindungen durch ihre Interessen und ihren Glauben an die Märkte selbst herstellen. Sie haben die Ware Lebensmittel, zu Energie und Wasser gemeinsam in den Fokus genommen. Sie diskutieren untereinander darüber: Wie man die Märkte für Lebensmittel, Energie und Wasser profitabel ausbeuten kann. Es ist für sie die letzte Herausforderung, die finale Privatisierungswelle.