01.06.2012
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Einleitung: 

Noch immer haben fast 900 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Wasser. Gegen die Aneignung und Zerstörung von Wasserreserven hat sich in den vergangenen Jahren international Widerstand gebildet. Auf dem Alternativen Weltwasserforum (FAME), das vom 14. bis 17. März 2012 in Marseille stattfand, kamen AktivistInnen, WissenschaftlerInnen und VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt zusammen, um Perspektiven für Wassergerechtigkeit zu entwickeln. Das Forum fand parallel zum 6. Weltwasserforum statt, das auf Initiative von großen Wasserunternehmen gegründet worden war und seither in der Kritik steht, einseitig privaten Profitinteressen zu dienen. Kontext TV sprach mit Teilnehmenden beider Foren aus Bangladesh, Palästina, Brasilien, der Türkei und aus Berlin.

Gäste: 
Badrul Alam, Asian Peasant Coalition, Bangladesh
Ivaney Dalla Costa, La Via Campesina, Brasilien
Alex Abu Ata, EWASH, Westjordanland
Franklin R. Frederick Goncalves, Movement of Citizenship for the Waters, Schweiz/Brasilien
Gerlinde Schermer, Berliner Wassertisch
Olcay Ünver, Leiter des Water Assessment Programme der UNESCO
Transkript: 

Fabian Scheidler: Vor knapp zwei Jahren hat die  UN-Vollversammlung den Zugang zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung zu einem Menschenrecht erklärt - nach langen Kämpfen sozialer Bewegungen. Doch nach wie vor haben fast 900 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Wasser.

David Goeßmann: Die Übernutzung und Verschmutzung von Süßwasserreserven durch Industrie und Landwirtschaft, der Klimawandel sowie Privatisierung und Landraub gefährden die Zukunft der Wasserversorgung - vor allem für die ärmsten Menschen im globalen Süden.

Fabian Scheidler: Mit der Zukunft der Wasserversorgung beschäftigten sich in Marseille vom 12. bis 17. März parallel zwei große Foren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zum einen das Weltwasserforum, das 1997 auf Initiative der großen Wasserkonzerne Vivendi/Veolia und Suez gegründet wurde und neben privaten Unternehmen auch UN-Behörden und Regierungen einschließt. Dieses Forum sieht sich seit seiner Gründung zunehmender Kritik ausgesetzt, weil es einseitig den Interessen privater Profitinteressen diene - und keine politische Legitimation besitze.

David Goeßmann: Aus diesem Grund fand nun zum dritten Mal parallel ein Alternatives Weltwasserforum statt, an dem Nichtregierungsorganisationen, soziale Bewegungen und Wasseraktivisten aus der ganzen Welt teilnahmen. Kontext TV war vor Ort und sprach mit Teilnehmenden beider Foren, darunter Maude Barlow, Aktivistin, UN-Beraterin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Doch zunächst einige andere Stimmen vom Alternativen Weltwasserforum:

1. Teilnehmer
Ich bin Badrul Alam von der Asian Peasant Coalition. Das Forum ist ein Ort, an dem man sich austauschen kann und Menschen die Chance bekommen, ihre Meinungen auszudrücken und mit anderen zu teilen. Das ist sehr wichtig. Doch wir wissen, dass zur selben Zeit ein offizielles Weltwasserforum stattfindet, zu dem gewöhnliche Menschen nicht zugelassen sind, deren Stimme nicht erhört wird. So können wir wenigsten hier beim Alternativen Weltwasserforum unsere eigene Agenda setzen, alternative Lösungen zur Wasserkrise oder zum Klimawandel diskutieren.

2. Teilnehmer
Ich heiße Alex Abu Ata. Ich bin Palästinenser und lebe in Frankreich. Ich und meine Kollegen aus Palästina sind hier, um die Menschen über Israels Verstöße gegen das Recht auf Wasser in Palästina zu informieren. Im Westjordanland herrscht eine humanitäre Krise. Sie ist künstliche erzeugt, sie ist nicht durch Wasserknappheit zu erklären, sondern durch Israels Politik. Zum Beispiel benötigt man im Westjordanland für den Bau von Infrastruktur die Genehmigung Israels. Diese Genehmigungen werden in 95 Prozent der Fälle nicht erteilt. Das führt zu einer humanitären Krise. Und sowohl die Palästinenser als auch Nichtregierungsorganisationen sind gezwungen, die benötigten Anlagen ohne Erlaubnis zu bauen. Israel zerstört sie dann immer wieder unter dem Vorwand, es gäbe keine Genehmigung durch die israelische Verwaltung. Die Wasserkrise in den palästinensischen Gebieten ist alamierend und muss umgehend gelöst werden.

3. Teilnehmer
Ich heiße Ivaney Dalla Costa von La Via Campesina in Brasilien. Das Alternative Forum ist eine Plattforum, wo gegen die Privatisierungen des Wassers mobilisiert werden kann. Unser Anliegen ist es zu zeigen, dass das brasilianische Volk gegen die Privatisierung ist, dass wir von La Via Campesina, von den Gewerkschaften und NGOs gegen die Privatisierung des Wassers aktiv sind. Wasser und Energie sind keine Waren. Indigene Bevölkerungen und Bewohner der Flussufer dürfen nicht verkauft werden.

4. Teilnehmer
Ich bin Franklin Goncalves aus Brasilien und lebe seit einiger Zeit in der Schweiz. Die Flaschenwasserproduzenten arbeiten mit den großen Wasserkonzernen wie Violia zusammen, um die Menschen an die Vorstellung zu gewöhnen, Wasser zu kaufen. Sie untergraben also die Idee des Wassers als öffentliches Gut.Und noch viel schlimmer: Sie kaufen Land auf, zum Beispiel in Brasilien, unter dem sich Wasservorräte befinden. So wird Wasser privatisiert, indem man die Quelle privatisiert. Das ist sehr gefährlich.

5. Teilnehmerin

Mein Name ist Gerlinde Schermer, ich komme vom Berliner Wassertisch. Wir haben den ersten erfolgreichen Volksentscheid in Deutschland geschafft: mit 660 Tausend Stimmen der Berlinerinnen und Berliner – das sind ca. 27 Prozent aller Abstimmungsberechtigten – und erreicht, dass der bis dato gehemeine Vertrag der Privatisierung der Hälfte der Berliner Wasserbetriebe offengelegt wird. Das ist ein ganz toller Erfolg, und damit kommen wir hierher, um den anderen zu zeigen, was in diesem Vertrag steht.

Fabian Scheidler: Beim diesjährigen Weltwasserforum stellte die UNESCO ihren 4. Wasserentwicklungsbericht vor. Der Bericht warnt, dass eine Fortschreibung des bisherigen Ressourcenraubbaus  in vielen Regionen der Erde bis 2050 zu verschärfter Wasserknappheit und gewaltsamen Konflikten führen wird. Wir sprachen mit dem Leiter des UNESCO-Wasserprogramms und Herausgeber der Studie Olcay Ünver darüber, wo er die Verantwortung für die Lösung der sich abzeichnenden Wasserkrise sieht.

Olcay Ünver: Es ist die Verantwortung von Regierungen, die notwendigen Maßnahmen und Regulierungen zu ergreifen. Sie müssen entscheiden, ob sie es für sinnvoll erachten, private Wasserunternehmen zu beauftragen, um die Bevölkerung, insbesondere die Armen und unterpreviligierten Schichten, mit Wasser zu versorgen. Das ist absolut die Verantwortung der jeweiligen Regierungen.

Fabian Scheidler: Kritiker des Weltwasserforums betonen, dass das Forum von den Profitinteressen der großen Wasserkonzerne dominiert sei und sprechen ihm jede politische Legitimität ab. Wir fragten Olcay Unver, wie er zu dieser Kritik am Forum steht - dessen Rat er selbst 8 Jahre lang angehörte - und warum die UNESCO das WWF zur Präsentation ihrer Studie gewählt hat.

Olcay ÜnverVon einer UNO-Perspektive ist das offizielle Weltwasserforum keine UN-Plattform. Was hier geschieht ist für niemanden bindend. Die Entscheidungen und Deklarationen des Weltwasserforums sind nicht verbindlicher als jede andere NGO-Konferenz.