19.03.2015
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Fabian Scheidler, Mitbegründer von Kontext TV, Buchautor ("Das Ende der Megamaschine"), Theater- und Opernautor

In seinem Buch "Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation" geht Fabian Scheidler den Wurzeln der Zerstörungskräfte nach, die heute die menschliche Zukunft infrage stellen. In einer historischen Spurensuche erzählt er die Vorgeschichte und Genese des kapitalistischen Weltsystems, das vor etwa 500 Jahrten in Europa entstand und Mensch und Natur einer radikalen Ausbeutung unterworfen hat. Dieses System sei nicht, wie es der Mythos der Moderne will, aus dem Pioniergeist von Entdeckern und Händlern hervorgegangen, sondern aus einer engen Verflechtung von Kriegswirtschaft, Staatsmacht und Finanziers. Die tiefgreifende Verflechtung von Staaten und Großunternehmen sei bis heute eines der zentralen Hindernisse für die notwendige sozial-ökologische Transformation. Angesichts von Klimachaos, Finanzcrashs und der sich verschärfenden sozialen Spaltung stoße heute ein ganzes Zivilisationsmodell an seine Grenzen.

Sind Marktwirtschaft und Kapitalismus tatsächlich, wie Adam Smith vor 250 Jahren behauptete, aus einer "natürlichen Neigung des Menschen zum Tausch" entstanden? Fabian Scheidler hält dagegen, dass sowohl die ersten Marktwirtschaften in der Antike als auch der moderne Kapitalismus aus einem Kreislauf von Krieg, Sklaverei, Rüstungsproduktion und Kapitalakkumulation entstanden. Markt- und Geldwirtschaft mussten mit militärischer Gewalt gegen erheblichen Widerstand in der Bevölkerung durchgesetzt werden. Die frühen Aktiengesellschaften unterhielten selbst Flotten und Heere und erbeuteten ihren Reichtum mit Kanonen. Moderne Aktiengesellschaften seien Maschinen, deren einziger Zweck darin bestehe, mit allen Mitteln aus Geld mehr Geld zu machen - auch um den Preis ökologischer und sozialer Verwüstung. Heute gehe es darum, diesen "genetischen Code" wieder aus der Ökonomie herauszubekommen.

Es wird oft gesagt, Demokratie und Kapitalismus seien ein natürliches Geschwisterpaar. Aber stimmt das aus historischer Sicht wirklich? Tatsächlich mussten soziale Bewegungen demokratische Rechte in jahrhundertelangen harten Kämpfen gegen politische und ökonomische Eliten durchsetzen. Und diese Kämpfe dauern bis heute an. Dabei haben sich die Strategien der Macht fortwährend verändert. In der ersten Hälfte des 20. Jahrunderts etwa unterstützten große Teile der Eliten den Faschismus, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Währenddessen entstand in den USA das Konzept der "gelenkten Demokratie": Die Mehrheit der Bevölkerung - die "verwirrte Herde" - sollte durch die Filter von Parteien und Medien aus politischen Entscheidungsprozessen herausgehalten werden. Angesichts globaler systemischer Krisen ist die Suche nach "echter Demokratie" jenseits dieser Filter heute dringender denn je.

Die globale Megamaschine stößt im 21. Jahrhundert an ökologische, soziale und ökonomische Grenzen, an denen sie letztlich scheitern muss, so Fabian Scheidler. Die politischen und ökonomischen Institutionen, die das System in den vergangenen Jahrhunderten geschaffen hat, erweisen sich als ungeeignet, adäquat auf diese Grenzen zu reagieren. Daher bewegen wir uns immer tiefer in einen chaotischen Übergangsprozess hinein, der Jahrzehnte dauern kann. Was am Ende herauskommt, läßt sich nicht voraussagen - auch fundamentalistische und faschistische Kräfte könnten weiter Aufwind bekommen. Entscheidend für eine sozial-ökologische Transformation sei es, mit dem Ausstieg aus der Megamaschine schon jetzt zu beginnen, um auf unvermeidliche systemische Brüche vorbereitet zu sein.