20.06.2013
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Einleitung: 

Mehr als 40 Jahre nach dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ stellte der Club of Rome nun seinen neuen Bericht vor: „Der geplünderte Planet“. Autor Ugo Bardi erläutert im Kontext-TV-Interview, welche Folgen der Raubbau an der Erde hat und warum es in den kommenden Jahrzehnten zu Ressourcen-Knappheiten kommen wird. Neben Öl könnte es auch bei Uran und Kupfer bald zu Engpässen kommen. Noch gravierender aber  sind laut Bardi die Umweltfolgen des Raubbaus: Radioaktive Materialien und Schwermetalle vergiften die Erde, der wachsende CO2-Ausstoß führt zu einem katastrophalen Klimawandel.

Gäste: 

Ugo Bardi, Professor für physikalische Chemie an der Universität Florenz, Autor des Berichts an den Club of Rome "Der geplünderte Planet"

Transkript: 

Fabian Scheidler: Herr Bardi, was sind die Hauptergebnisse Ihres Berichts?

Ugo Bardi: Der Tenor des Buchs ist, dass wir mit dem Rohstoffabbau der letzten paar hundert Jahre -- eine Aktivität, die bereits seit Jahrtausenden von Menschen ausgeübt wurde – eine gewisse Grenze erreicht und unseren Planeten völlig transformiert haben. Unser Planet ist nicht mehr, was er vor 50, vor 100 Jahren war. Es ist ein Planet, in der die grundlegenden Ressourcen, Mineralienvorkommen und Erze, die wir ausbeuten, um unsere Zivilisation oder die Welt, wie wir sie kennen, aufzubauen, verbraucht und über das gesamte Ökosystem verteilt worden sind. Das erzeugt zwei Probleme. Eines ist die Erschöpfung der Vorräte in dem Sinne, dass der Abbau von Rohstoffen immer teurer wird. Bisher ist noch nichts wirklich völlig aufgebraucht worden, aber der Abbau wird immer aufwändiger, was die Energiekosten betrifft. Und da wir unsere Energie vor allem aus mineralischen Ressourcen gewinnen, ist das ein Problem. Das zweite Problem, die Umweltverschmutzung, ist wahrscheinlich noch schlimmer; denn diese ganze gewaltige Masse von Material – wir sprechen von Billionen Tonnen – wurden extrahiert und verarbeitet und muss irgendwo hin. Diese Materialien sind nun über die Erde verteilt, in Formen, die sich unmöglich zurückgewinnen und in den industriellen Kreislauf reintergrieren lassen. Wir haben Schwermetalle, radioaktive Materialien, Schutt und vor allem Kohlendioxid, das heute vermutlich das größte Übel ist, denn es verursacht ein kleines Problem, das Globale Erwärmung oder Klimawandel genannt wird – obwohl wir es eigentlich katastrophalen Klimawandel nennen sollten, denn genau das riskieren wir, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Fabian Scheidler: Welche wichtigen Mineralien werden als erste knapp werden?

Ugo Bardi: Wir haben einige kritische Ressourcen, zum Beispiel Uran. Uran ist ein interessanter Fall, denn es gibt keine ausreichenden Uranvorräte. Seine Produktion reicht nicht aus, um die existierenden Kernkraftwerke zu versorgen. Wie werden die Kraftwerke dann betrieben? Sie werden durch Uran betrieben, das von alten nuklearen Sprengköpfen stammt. Man könnte denken, dass das gar keine so schlechte Idee ist, aber das ist eine sehr begrenzte Ressource, die natürlich stark politisch verwaltet wird. Die Verträge, die es möglich machen, diese Sprengköpfe zu demontieren und in Brennstoff für Kernkraftwerke umzuwandeln, sind sehr heikel. Und bei dieser Knappheit wäre ich nicht überrascht, wenn Uran die erste Ressource mit einem krisenhaften Verfügbarkeitsproblem werden sollte.

Fabian Scheidler: Sie haben schon über das Energiedilemma gesprochen. Viele Menschen glauben, dass Ressourcen irgendwann einfach aufgebraucht sein werden, dass gar nichts mehr von ihnen übrig ist. Aber Sie argumentieren, dass wir bereits nicht mehr genug von ihnen haben werden, bevor die Ressourcen tatsächlich erschöpft sind. Und zwar weil wir nicht mehr über genug Energie verfügen werden, um die Materialien aus Erzen mit immer geringerer Konzentration zu extrahieren. Was hat es mit diesem Energiedilemma auf sich?

Ugo Bardi: Das ist ganz einfache Physik. Vor langer Zeit haben Leute Kohle mit Pickhacken geschürft. Das ist einfach, man brauchte dazu nur Muskelenergie. Aber heute benutzen wir gigantische Maschinen, um Kohle zu extrahieren. Und um diese Maschinen – die größten landgestützten Maschinen, die je geschaffen wurden – auch nur herzustellen, brauchen wir Stahl, und um Stahl herzustellen, brauchen wir Eisen, und um Eisen herzustellen, brauchen wir Eisenerz. Um also eine Maschine für den Kohlebergbau herzustellen und zu betreiben, braucht man viel Energie – und das ist teuer. Das ist das Konzept des Energieertrags oder des Energy Return on Investment, auch „Erntefaktor“ genannt. Es geht auf eine Idee aus den Wirtschaftswissenschaften zurück: das Gesetz von der sinkenden Kapitalrendite. Das Problem ist, dass man zuerst in die profitabelsten Bereiche investiert; wenn sie erschöpft sind, wird in die weniger profitablen investiert – und so entsteht das Problem der sinkenden Erträge. Das gibt es überall. Im Moment ist das Problem nicht, dass wir bald gar keine Ressourcen oder gar keine Energie mehr haben. Es ist, als ob wir einen Pfad entlanggehen, der immer mehr ansteigt. Erst merkst du gar nicht, dass es nach oben geht, denn der Pfad steigt nur sanft an. Beim Weitergehen merkst du, dass es immer steiler wird, und du fängst an, erschöpft zu sein, aber du kannst immer noch weitergehen. Und dann merkst du plötzlich, dass der Pfad richtig steil ansteigt, und du musst plötzlich anfangen zu klettern und dich mit den Händen festhalten, und an einigen Stellen kannst du nicht mehr weiterklettern. Wir sind noch nicht an diesem Punkt, aber wir müssen beginnen zu verstehen, dass die Steigung irgendwann so steil werden wird, dass wir nicht mehr weiterklettern können und anhalten und wieder heruntergehen müssen.

Fabian Scheidler: In Ihrem Buch haben Sie das Beispiel Kupfer benutzt. Als die Kupferausbeute begann, enthielt Kupfererz 15 Prozent Kupfer, und jetzt sind es nur noch 0,3 Prozent?

Ugo Bardi: Ja, nur noch etwa 0,5 Prozent. So lange wir noch Energie haben, können wir Kupfer vielleicht noch zehn, zwanzig Jahre gewinnen, dann wird es ohnehin kritisch werden. Das Problem ist aber, dass wir vermutlich weniger Energie zur Verfügung haben werden, und in diesem Fall wird es sehr schwer werden, die Kupferproduktion aufrechtzuerhalten – und dieser Punkt könnte bereits in ein paar Jahren eintreten.