05.12.2012
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Einleitung: 

Mit seiner Blockade der internationalen Klimapolitik, der Erschließung der Arktis für die Ölförderung und der Öffnung des Powder River-Beckens für die Kohleförderung hat US-Präsident Barack Obama seine umweltpolitischen Versprechen nicht eingehalten, resümmiert Bill McKibben. Im US-Wahlkampf spielte Klimawandel zudem keine Rolle. Die fossile Brennstoffindustrie sei inzwischen eine "Schurkenindustrie". Sie schreibe an Umweltgesetzen mit und bezahle Kongressabgeordnete, um die Klimapolitik zu sabotieren und den Klimawandel zu leugnen.

Gäste: 

Bill McKibben: Umweltjournalist und -aktivist, Gründer der Klimabewegung 350.org, Autor von "Das Ende der Natur", Middlebury, USA

Transkript: 

David Goeßmann: Obama versprach vor vier Jahren ein grünes Amerika, er sprach von grünen Jobs. Was ist Ihre Einschätzung von Obamas Umweltpolitik?

Bill McKibben: Nun, ich glaube man muss fragen „In Bezug auf wen?“ Obama war besser als George Bush, andererseits habe ich schon mehr Bier getrunken als meine 14-jährige Nichte. Es ist keine besondere Leistung, in Umweltfragen besser als George Bush zu sein. Gemessen an der Größe des Problems hat Obama nicht einmal ansatzweise genug getan. Es war schwer für ihn, da der republikanisch dominierte Kongress alle Bemühungen blockiert hat. Aber in Bereichen, in denen er freie Hand hatte, hat er einerseits gute Entscheidungen getroffen, beispielsweise die Verbesserung der Kilometerleistung von Autos, andererseits einige schlechte, wie die Erschließung der Arktis für die Ölförderung oder die Öffnung des „Powder River“ Beckens für die Kohleförderung. Unterm Strich hat Obama seine Versprechen nicht eingehalten, aber er ist mit Sicherheit besser als Romney.

David Goeßmann: Im Wahlkampf war Umweltschutz kein Thema. Es ging nur um die Wirtschaft.

Bill McKibben: Ich finde es sehr verwunderlich, dass Klimawandel, Umweltschutz kein Thema im Wahlkampf war. Wir haben in den USA die schlimmsten Wetterereignisse seit Beginn der Aufzeichnungen. Und es scheint als ob diese Leute einfach keine Notiz davon nehmen. Der Präsident hat im Juni in Pennsylvania eine Rede gehalten und es war so heiß, dass 15 oder 20 Zuhörer während der Rede zusammengebrochen sind, aber Obama hat diesen Vorfall nicht einmal zur Kenntnis genommen. Ganz zu schweigen davon, es in einen Zusammenhang mit der Rekordhitze zu stellen. Ich denke wir sind an einem Punkt, an dem die Politik über diese Dinge reden muss. Einer neuen Umfrage zufolge sind sich 70% der US-Bevölkerung des Klimawandels bewusst. Für amerikanische Verhältnisse ist das eine Menge - die Hälfte der Bevölkerung glaubt immer noch, dass Elvis am Leben sei - 70% Zustimmung für irgendwas zu erhalten ist ziemlich viel. Die Leute wissen, dass Klimawandel stattfindet, weil sie es mit eigenen Augen sehen.

David Goeßmann: Es gibt viele Klimawandelleugner in den USA, auch im US-Kongress. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Bill McKibben: Nun, was da geschieht ist leicht zu erklären. Diese Leute stehen auf der Gehaltsliste der fossilen Brennstoffindustrie. So funktioniert das. Es gibt im Kongress keinen Leugner des Klimawandels, der nicht Tausende und Abertausende von Dollar der Öl-, Gas- und Kohleindustrie bekommen hat. Und man bekommt kein Geld, wenn man seine Rolle nicht spielt. So funktioniert das. Wir müssen dieser Industrie aufrecht begegnen und den Leuten die Wahrheit erklären, dass sich diese Industrie zu einer Schurkenindustrie gewandelt hat. Dass sie eine Industrie von Banditen sind, Shell und Exxon und Chevron und BP und all die anderen. Sie verstoßen nicht gegen geltendes Recht - denn sie haben die Gesetze selber geschrieben. Sie haben Kongressmitglieder gekauft und bezahlt. Es gibt sogar Gesetze, die gegen die Gesetze der Physik und Chemie verstoßen. Und wenn es uns gelingt, den Leuten das klar zu machen, können wir vielleicht den Zugriff der Industrie auf Washington etwas lockern.

David Goeßmann: Wie sind Sie zum Umwelt- und Klimaaktivisten geworden. Was hat sie inspiriert?

Bill McKibben: Nun, ich hatte das nicht von vornherein geplant, ich bin eigentlich Autor. 1989 habe ich das erste Buch über Klimawandel für ein breiteres Publikum geschrieben, es hat den Titel „Das Ende der Natur“, ich war da 27 oder 28. Ich dachte damit würde ich meinen Beitrag geleistet haben. Ich schreibe über den Klimawandel und andere Leute würden eine Bewegung aufbauen. Aber es gab nie eine Bewegung, jedenfalls nicht in den USA und großen Teilen der übrigen Welt. Ich kam vor vier oder fünf Jahren an den Punkt, an dem ich entschied, es selbst zu versuchen. Ich arbeitete anfangs mit Studenten hier am Middlebury College. Wir haben eine mittlerweile weltweite Bewegung aufgebaut. 350.org engagiert sich in allen Ländern der Erde mit Ausnahme von Nordkorea. Wir verlieren häufiger, als dass wir gewinnen. Aber wir wachsen und werden stärker.