19.05.2011
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Einleitung: 

Auch Portugal und Spanien sehen sich ähnlich destruktiven Sparpaketen aussetzt wie Griechenland. Irlands Krise unterscheidet sich von den anderen, weil es sich vor allem um eine Bankenkrise handelt. Doch die Maßnahmen von EU und Bundesregierung kaufen die Verursacher der Krise – die überschuldeten Banken – frei und wälzen die Kosten auf die Bevölkerung ab.
Europaweit tragen die rigorosen Sparmaßnahmen zum Aufkommen rechter Tendenzen wie in Finnland bei.

Gäste: 

Heiner Flassbeck: Chefökonom der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf

Transkript: 

Fabian Scheidler: Auch Portugal nimmt nun Gelder aus dem Rettungsschirm entgegen und sieht sich ähnlichen Sparzwängen ausgesetzt. Was kommt auf die Portugiesen zu?

Heiner Flassbeck: Naja, das Gleiche, sie machen das ja schon, und das sieht man auch in Portugal, wie man den Ländern Unzumutbares zumutet; also wie man verlangt, mitten in der Krise zu sparen, also die Staatsausgaben zu senken, die Löhne weiter zu senken, dann kriegt man politisch natürlich unglaublich instabile Verhältnisse, das muss man ja im Hinterkopf behalten; wir leben ja nicht in einer Vakuumwelt sozusagen, wo man die Politik nicht bedenken muss. Man kann nicht den Ländern ökonomische Sachen aufoktroyieren, die politisch in die Hose gehen müssen. Ich sagte schon, das endet dann so wie in Finnland, auf der einen Seite sind diejenigen im Norden überheblich und wollen nicht mehr für die Faulen im Süden zahlen, und die Faulen im Süden sagen, die Verrückten im Norden haben uns unsere Wirtschaft kaputtgemacht. Das ist der Weg, wie diese europäische Union, nicht nur die Währungsunion, sondern die gesamte Europäische Union zerfällt in ihre Einzelteile. Und dann werden wir sehen, dass  das uns einen wirtschaftlichen Rückschlag um zwanzig, dreißig, vierzig Jahre bringt.“

David Goeßmann: Irland galt lange Zeit als neoliberales Musterland. Seit der Krise ist das Land nun geradezu implodiert, die Wirtschaftsleistung ist seit 2007 um mehr als 11 Prozent geschrumpft, die Arbeitslosenrate von 4 auf 13 Prozent gestiegen. Was sind die Unterschiede zur Krise in Griechenland?

Heiner Flassbeck: Irland hat in vielerlei Hinsicht eine andere Krise, Irland hat auch eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit, weil die Löhne zuletzt stark gestiegen sind, aber das ist nicht das Entscheidende. In Irland gab es sozusagen, die angloamerikanische Housing-Bubble, also die Haupreisblase, wo man extrem auf Land- und Hauspreissteigerungen spekuliert hat, es gab ein irrsinniges Bankensystem, was diese Spekulationen unterstützt hat; und dann hat die Regierung meines Erachtens den entscheidenden Fehler gemacht, schon unmittelbar zu Beginn der Krise zu garantieren, dass alle diese extrem aufgeblähten Banken in Irland eine Bestandsgarantie erhalten, das war sicher ein großer Fehler. Der Staat sollte immer, zu jeder Zeit, die Einlagen der Bürger schützen, die bei den Banken liegen, aber er sollte nicht die Banken als solche schützen, es gibt keinen Grund, hochspekulative Banken zu schützen. Das gilt für uns, das gilt für alle Länder. Deswegen ist es das Wichtigste in der Zukunft, dass man die Bankenaktivitäten aufspaltet in „normale Bank“ und „Zockerbank“ sozusagen; und die „Zockerbank“ darf niemals gerettet werden. Aber all dies ist in Irland zusammengekommen, sie haben da weit übertrieben, sie hatten zusätzlich zu den Spekulationsblasen, die wir alle hatten, hatten sie diese riesige Hauspreisblase oder Grundstücksblase; und dass das irgendwann zusammenbrechen musste, war auch relativ klar. Aber das ist eine Krise, die wie gesagt einen bisschen anderen Charakter hat  als die übrigen in Südeuropa.

Fabian Scheidler: In Irland hat die EU Hilfskredite gewährt, auf Druck der Regierung Merkel allerdings aufgrund der ausdrücklichen Auflage, dass Gläubiger der maroden irischen Banken, darunter viele deutsche Banken, vollständig ausgezahlt werden. Außerdem müssen die Iren hohe Strafzinsen von  5,8 Prozent auf die Stützungskredite zahlen. Kann Irland so aus der Krise kommen?

Heiner Flassbeck: Nein, wenn man nicht dafür sorgt, dass das Bankensystem saniert wird, ist das auch kein Weg aus der Krise. Ich weiß auch nicht ganz genau, niemand weiß das vermutlich ganz genau, wie viele schlechte Papiere noch in den Bankbilanzen dort schlummern. Im Moment sieht es ja aus wie ein Fass ohne Boden, aber es gibt überhaupt keinen Grund, ich sagte schon, die Banken als solche zu retten. Die Einlagen der Bürger, ok, aber alle anderen, die mit diesen Banken verflochten sind, gibt es keinen Grund zu retten, dafür haben wir ja Marktwirtschaft, dass auch die Marktteilnehmer ein Risiko tragen und dann auch mal mit der Pleite einer Bank leben müssen. Und das könnte im europäischen Rahmen auch die Folgen, dass es nicht so eine Krise gibt, könnte man ohne weiteres auffangen. Das Erstaunliche ist ja, und da sehen sie wieder die Ambivalenz oder die einseitige Bewertung durch viele Politiker; auf der einen Seite sprechen viele sehr schnell und sehr flott und ohne langes Zögern über einen Bankrott Griechenlands, also des Staates, des Staates als solchem, was ja eine völlig andere Qualität hat, als eine Bankenpleite. Aber  über die Bankenpleite in Griechenland wird sehr wenig geredet, es ist also genau verkehrt rum, über die Bankenpleite in Irland sollte man reden, während ein Staatsbankrott im wahrsten Sinne des Wortes in einem Land der Eurozone in meinen Augen eine gewaltige Katastrophe wäre und unabsehbare Folgen nach sich zöge.

David Goeßmann: Ist Spanien der nächste Kandidat für die Hilfskredite?

Heiner Flassbeck: Naja, das ist schwer zu sagen, das hängt von vielen Details ab, aber jenseits der Details muss ich darauf zurückkommen, was ich schon gesagt habe, ist es entscheidend, dass das Grundproblem angegangen wird. Spanien hatte ein Leistungsbilanzdefizit gegenüber dem Rest der Welt auf dem Höhepunkt der Krise zu 10 Prozent, das ist völlig unhaltbar, es ist nicht nachhaltig, man kann nicht mit 10 Prozent Leistungsbilanzdefizit, also 10 Prozent des Einkommens in ausländische Verschuldungen jedes Jahr haben, das ist unmöglich. Deswegen muss man seine eigene Wettbewerbsfähigkeit dramatisch erhöhen. Aber die Wettbewerbsfähigkeit, ich sagte es auch schon mal, kann man nur erhöhen, wenn der wichtigste Handelspartner, und das ist Deutschland, wenn der das auch zulässt, dass man seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert, denn der muss dann seine Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern. Wettbewerbsfähigkeit ist nun mal ein relatives Konzept und es können nicht alle Wettbewerbsfähigkeit verbessern, wogegen denn? Gegen die USA? Die wollen aber auch ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, also es funktioniert nicht. Insofern muss man eine Lösung finden, eine innereuropäische Lösung finden, wo diese Länder eine Chance haben, über einen langen Zeitraum ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu verbessern, also diese riesige Lücke, die gegenüber Deutschland entstanden ist, von 20,25,30 Prozent abzubauen; und wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass auch Europa weiter wächst, denn je mehr Europa wächst, umso leichter ist es auch, diese Schulden abzubauen und diese Lücke zu beseitigen. Wenn das Ganze in eine Rezession und Deflation hineinführt, dann wird das alles nicht mehr funktionieren, dann wird Europa vorher auseinander brechen, aber wie gesagt, diese eine Chance muss man nutzen und die muss man jetzt auch Spanien geben. Und deswegen brauchen wir diesen Überbrückungskredit sozusagen, man braucht diese Hilfe aus dem Rettungsfonds, um die Zeit zu überbrücken, bis man eine wirkliche Lösung hat. Nur wenn man die wirkliche Lösung gar nicht anfängt, dann ist natürlich auch der Rettungsschirm sinnlos.